Uns liegt eine weitere datenschutzrechtliche Abmahnung vor: Die Rechtsanwälte Negele Zimmel Greuter Beller versenden im Auftrag von Rainer Deyhle aus Stuttgart Unterlassungsaufforderungen. Den Abgemahnten wird vorgeworfen, den Webanalyse-Dienst Google Analytics zu nutzen, ohne dabei den Quellcode-Zusatz „anonymizeIP“ eingebunden zu haben, mit dem die IP-Adressen der Webseitenbesucher anonymisieren werden? Gefordert wird die Abgabe einer lebenslang gültigen Unterlassungserklärung sowie die mit der Beauftragung der Kosten der Kanzlei Negele Zimmel Greuter Beller einhergehenden Kosten in Höhe von 571,44 EUR.
- Datenschutzrecht
- Wettbewerbsrecht
Negele Zimmel Greuter Beller mahnen für Rainer Deyhle Datenschutzverstöße ab
von Carl Christian Müller
Unterlassungserklärung und 571,44 EUR gefordert
Rainer Deyhle versendet selbst E-Mails
Der uns vorliegenden Abmahnung der Kanzlei Negele Zimmel Greuter Beller Rechtsanwälte ging eine E-Mail von Rainer Deyhle voraus, mit dem er unseren Mandanten auf den Rechtsverstoß hingewiesen hat. Diese war überschrieben mit dem Betreff „Unterlassungs- und Beseitigungsaufforderung wegen unerlaubter Weitergabe meiner IP-Adresse“. Mit der E-Mail führt Herr Deyhle aus, er habe bei einem Besuch der Webseite unseres Mandanten festgestellt, dass dieser Google Analytics ohne die Quellcode-Erweiterung „anonymizeIP“ verwende. Dadurch sei seine IP-Adresse an Google übertragen worden, was unzulässig sei. Mit der E-Mail forderte Herr Deyhle unseren Mandanten auf, über die zu seiner Person gespeicherten Daten Auskunft zu erteilen und für dessen Löschung zu sorgen sowie einen entsprechenden Nachweis hierüber auszustellen. Zudem verlangte er mit seiner E-Mail die Abgabe einer Unterlassungserklärung mit dem Inhalt, seine IP-Adresse künftig nicht mehr an Google Analytics weiterzugeben.
Was ist dran, an der Abmahnung von Rainer Deyhle?
Richtig ist, dass die dynamische IP-Adresse ein personenbezogenes Datum ist. Dies folgt nicht nur aus der von den Rechtsanwälten Negele Zimmel Greuter Beller Rechtsanwälte zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung, sondern mittlerweile auch aus § 4 DSGVO. In diesem Zusammenhang erwähnenswert ist, dass sich Rainer Deyhle bei seinem Vorgehen gar nicht auf die DSGVO stützt. Öffentlichen Quellen zu Folge hat Herr Deyhle diese E-Mails in Masse bereits vergangenes Jahr versendet, also vor Wirksamwerden der DSGVO am 25. Mai 2018.
Im Datenschutzrecht gilt: Absolutes Verarbeitungsverbot mit Erlaubnisvorbehalt
Deshalb ist die Abmahnung aber nicht weniger ernst zu nehmen. Denn sowohl nach alter als auch nach neuer Rechtslage gilt im Datenschutzrecht das Verbot mit Erlaubnisvorbehalt. Danach ist jegliche Datenverarbeitung grundsätzlich verboten. Hiervon gibt es zwei Ausnahmen:
- Der Betroffene willigt ein - und zwar bevor die Daten erhoben werden.
- Es existiert eine gesetzliche Norm, die die Verarbeitung für die spezielle Fallgestaltung erlaubt.
Ob aber Letzteres vorliegt, der Webseitenbetreiber sich also auf einen gesetzlichen Erlaubnistatbestand berufen kann, ist mehr als fraglich. Schon nach der alten Rechtslage war umstritten, ob der § 15 Abs. 3 TMG als ausreichende Rechtslage gelten konnte. Die schleswig-holsteinische Datenschutzbehörde vertrat daher die Auffassung, dass die Verwendung von Google Analytics unzulässig ist. Nach längeren Verhandlungen zwischen Google und deutschen Datenschützern wurde 2010 eine Einigung dahingehend erzielt, dass diese Übertragung der IP-Adressen nur noch in anonymisierter Form erfolgen darf.
Nach Einsetzen der dafür notwendigen Funktion in das Java-Script von Google Analytics „anonymizeIP“ werden die übertragenen IP-Adressen, auf den Google Servern anonymisiert, indem lediglich die ersten 3 Oktette der IP-Adresse noch auslesbar sind. Eine Zuordnung ist damit nicht mehr möglich.
Hier finden Sie weitere Informationen zum rechtskonformen Einsatz von Google Analytics.
Fehlende Rechtsgrundlage für Datenübertragung an Google?
Nach Wirksamwerden der DSGVO ist schon fraglich, ob § 15 Abs. 3 TMG überhaupt noch Anwendung findet, oder aber vielmehr § 6 Abs. 1 lit f DSGVO die richtige Norm wäre. Letztere setzt aber eine Abwägung zwischen den Nutzer- und Betroffeneninteressen voraus. Und hier kann man natürlich schon die Frage stellen, ob die Nutzung von Google Analytics ohne die Quellcode-Erweiterung „anonymizeIP“ noch von den berechtigten Interessen des Webseitenbetreibers gedeckt ist, wenn sowohl der Webseitenbetreiber als auch der in dessen Auftrag werdende Analyse-Dienst mit den anonymisierten IP-Adressen genauso gut zum Ziel kommen – nämlich die Besucherströme auf der Webseite statistisch auszuwerten, um die Webseite auf dieser Grundlage zu optimieren. Da Google die Quellcode-Erweiterung anbietet, spricht natürlich viel dafür, dass der Einsatz des Analyse-Dienstes mit der Quellcode-Erweiterung den Zweck hinreichend erfüllt.
Hier finden Sie weitere Informationen zu den rechtlichen Hintergründen beim Einsatz von Analyse- und Marketingstools.
Oje – und jetzt? Unterlassungserklärung unterschreiben und zahlen?
Nein, auf keinen Fall. Denn die Fallprüfung ist noch nicht zu Ende.
Rainer Deyhle bzw. die von ihm beauftragte Kanzlei Kanzlei Negele Zimmel Greuter Beller Rechtsanwälte machen ja eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach § 823 BGB geltend. Richtig ist insofern, dass das Allgemeine Persönlichkeitsrecht als sonstiges Recht im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB als absolute Rechtsposition anerkannt ist. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung wiederum, aus dem unser Datenschutzrecht hervorgegangen ist, ist wiederum eine Ausprägung des Allgemeinen Persönlichkeitsrecht.
Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist jedoch ein Rahmenrecht. Das bedeutet, dass nicht jeder Eingriff in das Recht zugleich eine Rechtsverletzung darstellt. Vielmehr muss diese im Rahmen einer Abwägung zwischen den sich gegenüberstehenden Interessen für jeden Einzelfall gesondert festgestellt werden. Und im Rahmen dieser Abwägung ist eben auch der Umstand zu beachten, dass Herr Rainer Deyhle offensichtlich nicht „aus Versehen“ auf eine Internetseite gelangt ist, die Google Analytics ohne die Quellcode-Erweiterung „anonymizeIP“ einsetzt, dies dann zufällig bemerkt sich dann wahnsinnig geärgert und dann eine E-Mail verschickt hat. Vielmehr ist bei der Masse der von ihm versendeten E-Mails bzw. Abmahnungen davon auszugehen, dass Herr Rainer Deyhle auf der Suche nach Webseiten ist, die Google Analytics ohne die Quellcode-Erweiterung „anonymizeIP“ einsetzen.
Verletz mich!
Es ist also davon auszugehen, dass er wusste, was er tat und wonach er suchte, als er die Webseite aufrief. Ein bisschen so also, als ob man mit einer alten Gurke auf einer Vorfahrtsstraße unterwegs ist und noch mal aufs Gas drückt, wenn einem die Vorfahrt genommen wird (siehe zu diesem Punkt auch den Beitrag zu den Schmerzensgeldforderungen wegen eines vermeintlichen DSGVO-Verstoßes in Höhe von 12.000 €).
In rechtlicher Hinsicht kann man daher durchaus darüber nachdenken, ob Herr Deyhle nicht konkludent in die Übertragung seiner IP-Adresse, jedenfalls aber in den Eingriff seiner Rechte eingewilligt hat, als er auf der Suche nach einer abmahnfähigen Rechtsverletzung die Webseite betreten hat. Jedenfalls aber wäre hier auch über ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen nachzudenken, was die Abmahnung unwirksam machen würde. Schließlich ist auch nicht auszuschließen, dass ein Gericht § 15 Abs. 3 TMG als vorrangig anwendbar ansieht. Bisher ist aber nicht geklärt, ob die Nutzung der IP-Adresse über diesen Tatbestand tatsächlich abgedeckt ist.
Heißt das, ich kann die Abmahnung von Rainer Deyhle ignorieren?
Nein, das sollten Sie auf keinen Fall tun. Vorstehendes gibt nämlich erst mal nur unsere Rechtsauffassung wieder. Wie ein Gericht diese Fälle beurteilen wird, ist derzeit noch offen. Wie der Kollege Harzheim auf seinem Blog berichtet, haben die Rechtsanwälte Negele Zimmel Greuter Beller bereits in einem Fall geklagt. Über den Ausgang des Verfahrens ist noch nichts bekannt.
Wie also jetzt weiter vorgehen bei einer Abmahnung der Kanzlei Negele Zimmel Greuter Beller?
Wenn Sie bisher nur eine E-Mail von Herrn Deyhle selbst erhalten haben, stellt sich nur die Frage, ob eine Unterlassungserklärung abzugeben ist, denn mit der E-Mail werden keine Aufwendungs- oder Schadensersatzansprüche geltend gemacht. Allerdings kann auch die Abgabe der Unterlassungserklärung ein nicht unerhebliches finanzielles Risiko bedeuten. Wird hiergegen schuldhaft verstoßen, fallen Vertragsstrafen in Höhe von mehreren tausend Euro an.
Wird in diesem Stadium (also nur E-Mail erhalten) keine Unterlassungserklärung abgegeben, entfällt das Risiko einer Vertragsstrafe. Allerdings droht dann eine Abmahnung der Kanzlei Negele Zimmel Greuter Rechtsanwälte. Diese fordern neben der Unterlassungserklärung in der uns vorliegenden Abmahnung Anwaltskosten in Höhe von € 571,24.
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