• Datenschutzrecht

Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung beim Bundesverfassungsgericht eingereicht

„Wir haben soeben beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung eingereicht.“

Dies teilen die Rechtsanwälte Carl Christian Müller und Sören Rößner in Berlin mit, nachdem der entsprechende Gesetzentwurf heute den Bundesrat passiert hat und nunmehr dem Bundespräsidenten zur Ausfertigung zugeleitet wird.

von Carl Christian Müller

Schriftzüge Datenschutz Vorratsdatenspeicherung Privatsphäre

Berufsgeheimnisträger in besonderem Maße betroffen

Den Antrag haben alle Rechtsanwälte der Kanzlei in eigenem Namen und aus eigener Rechtsbetroffenheit als Berufsgeheimnisträger gestellt. Dieser Initiative haben sich darüber hinaus der Deutsche Medienverband (DMV) e.V. sowie der DJV Deutsche Journalisten-Verband, Landesverband Berlin-Brandenburg e.V. angeschlossen. Darüber hinaus tritt eine Reihe von Journalisten, hier unter anderem auch die Bundestagsabgeordnete Tabea Rößner, die medienpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen ist und vormals als Journalistin beim ZDF tätig war, als Antragsteller auf. Daneben haben sich dem Antrag neun Mitglieder des Berliner Abgeordnetenhauses aus verschiedenen Fraktionen angeschlossen. Einige von ihnen sind ebenfalls als Rechtsanwälte tätig und insofern auch als Berufsgeheimnisträger in nicht hinnehmbarer Weise von der Vorratsdatenspeicherung betroffen. Darüber hinaus sehen sie hierdurch ihre Rechte als Abgeordnete verletzt. Zudem hat sich noch ein Kinderarzt der Verfassungsbeschwerde angeschlossen, der sich in dieser Eigenschaft als Berufsgeheimnisträger ebenso in seinen Kommunikationsfreiheiten berührt sieht.

„Mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wollen wir erreichen, dass die mit Inkrafttreten des Gesetzes unmittelbar bestehende Speicherverpflichtung der Telekommunikationsanbieter bis zur Entscheidung über die von uns noch einzureichende Verfassungsbeschwerde ausgesetzt wird. Der erneute Versuch der Einführung einer Vorratsdatenspeicherung ist ein nicht hinnehmbarer Eingriff in die grundrechtlich geschützten Kommunikationsfreiheiten aller Bürger, von der die Berufsgeheimnisträger und deren Mandanten, Patienten, Informanten und Kommunikationspartner in besonderem Maße betroffen sind“, erklärt Rechtsanwalt Carl Christian Müller.

Überwachungsgesamtrechnung geht nicht mehr auf

„Wir sind der Auffassung, dass dieser mit der anlasslosen, zusammenhanglosen und ausnahmslosen Speicherverpflichtung einhergehende schwerwiegende Eingriff mit den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zu einer verhältnismäßig ausgestalteten Vorratsdatenspeicherung nicht vereinbar ist. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Überwachungsgesamtrechnung. Seit Bekanntwerden der uferlosen Speicher- und Überwachungspraktiken der Geheimdienste durch die Enthüllungen von Edward Snowden und angesichts zusätzlicher Datenspeicherungsvorhaben wie beispielsweise der Fluggastdatenverordnung ist der gesetzgeberische Handlungsspielraum in Richtung weiterer Datensammlungen auf Null reduziert. Darüber hinaus sind die gesetzlichen Regelungen zur Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung nicht mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs in Einklang zu bringen, nach der eine ausnahmslose Vorratsdatenspeicherung insbesondere im Hinblick auf den Schutz von Berufsgeheimnisträgern einen Verstoß gegen die europäischen Grundrechte darstellt“, erläutert Rechtsanwalt Rößner.

Verstoß gegen europäische Grundrechte

„Darüber hinaus sind die gesetzlichen Regelungen zur Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung nicht mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs in Einklang zu bringen, nach der eine ausnahmslose Vorratsdatenspeicherung insbesondere im Hinblick auf den Schutz von Berufsgeheimnisträgern einen Verstoß gegen die europäischen Grundrechte darstellt.

Wir sehen unseren Antrag in der Tradition der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den Kommunikationsfreiheiten. Das Bundesverfassungsgericht hat stets betont, dass diese schlechthin konstituierend für eine demokratische Grundordnung sind und dass der Datenschutz hiermit korrespondiert. Vor diesem Hintergrund kann die Vorratsdatenspeicherung keinen Bestand haben“, so Müller und Rößner abschließend.

Den vollständigen Antrag finden Sie hier.

Update vom 11.11.2015: Das Bundesverfassungsgericht hat uns am heutigen Tag den Eingang des Antrages auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bestätigt. Dieser wird unter dem Aktenzeichen 1 BvQ 42/15 geführt. Über den weiteren Verlauf des Verfahrens werden wir informieren.

Update vom 23.11.2015: Wie uns das Bundespräsidialamt auf Nachfrage mitteilte, wird das Gesetz dort derzeit geprüft. Wann es vom Bundespräsidenten ausgefertigt und letztlich im Bundesgesetzblatt verkündet werde, sei offen, da von Seiten der Rechtsabteilung eine ausführliche Prüfung vorgenommen werde.

Update vom 18.12.2015: Nachdem das Gesetz am 18.12.2015 in Kraft getreten ist, haben wir noch am selben Tage Verfassungsbeschwerde erhoben.

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