In seinem Urteil vom 18.06.2020 äußerte sich der Bundesgerichtshof (BGH) zur Berechnung des Schadenersatzes nach der unbefugten Nutzung eines Stadtplanausschnitts und der damit einhergehenden Urheberrechtsverletzung (Az. I ZR 93/19). Der BGH stellt klar, dass die Lizenzverträge, die erst nach einer Urheberrechtsverletzung abgeschlossen werden, nicht ohne weiteres geeignet sind, den objektiven Wert einer (zukünftigen) Nutzung zu bestimmen.
- Urheberrecht
BGH zur Schadensberechnung anhand von Nachlizenzierung
Beratungsfirma verletzt Urheberrecht durch Nutzung von Stadtplänen auf eigener Webseite
Im vorliegenden Fall wurde ein Beratungsunternehmen, das über einen Zeitraum von drei Jahren unbefugt Ausschnitte von Stadtplänen für den eigenen Internetaufritt nutzte, abgehmahnt. Die Klägerin bot die Nutzung dieser Stadtplanausschnitte gegen eine Zahlung von Lizenzgebühren an. Das Unternehmen schloss vor Nutzung der Stadtpläne auf dessen Seite aber keinen Vertrag mit der Klägerin, sondern nutzte die Ausschnitte ohne vorherige Erlaubnis. Nach einer Abmahnung gab das Unternehmen zwar eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab und versprach die Urheberrechtsverletzung zu beseitigen und in Zukunft nicht zu wiederholen, aber verweigerte die Zahlung jeglicher Kosten. Daraufhin zog der Rechteinhaber vor das Landgericht München I und forderte Abmahnkosten in Höhe von 578,00 € sowie Ermittlungskosten in Höhe von 95,00 € und eine Lizenzgebühr von 6.480,00 €.
Landgericht München I: Schadenshöhe weitestegehend angemessen
Vor dem Landgericht München I war die Klägerin mit ihren Forderungen noch weitestgehend erfolgreich. Das Landgericht München I übernahm nämlich die von der Klägerin beigebrachten Gutachten zur Berechnung des Schadensersatzes aufgrund von nach der Verletzung geschlossenen Lizenzverträgen weitestgehend.
Oberlandesgericht München: Schadenshöhe muss deutlich reduziert werden
Das Oberlandesgericht (OLG) hingegen lehnte diese Gutachten ab, da die dort dargestellten Werte auf Tarife von Wettbewerbern abstellten, ohne dabei Feststellungen zur tatsächlichen Durchsetzbarkeit dieser Tarife zu treffen. Daraufhin reduzierte das OLG München die Lizenzgebühr erheblich (1.800,00 €) und sprach dem Abmahner insgesamt nur 2.473,00 € zu. Damit erklärte sich dieser nicht zufrieden und legte Revision ein.
BGH: Zur Schadensberechnung bei Urheberrechtsverletzungen muss der objektive Wert der Lizenz ermittelt werden
Der BGH stellte daraufhin klar, dass der Schadensersatzanspruch gemäß § 97 Abs. 2 Satz 3 UrhG sich nach dem Betrag, den der Verletzer als angemessene Vergütung hätte bezahlen müssen, wenn er einen Lizenzvertrag geschlossen hätte, richtet. Bei Lizenzvereinbarungen, die erst nach der Urheberrechtsverletzung geschlossen werden, handele es sich gerade nicht um eine wirkliche Abbildung der Marktpreise des Urhebers, da mit einer Nachlizenzierung mehr entgolten würde als nur die einfache Nutzung. Für die Berechnung eines Schadens käme es allein darauf an, was vernünftige Vertragsparteien als Vergütung für die Nutzung des urheberrechtlich geschützten Objekt vereinbart hätten. Zu ermitteln sei also der objektive Wert der (zukünftigen) Benutzungsberechtigung. Dabei sei unerheblich, ob und inwieweit der Verletzer selbst bereit gewesen wäre, für seine Nutzungshandlungen eine Vergütung zu zahlen.
Auswirkung auf die Praxis: Bei der Berechnung der Lizenzgebühr wird ein nachträglich geschlossener Lizenzvertrag nicht mit einberechnet
Das bedeutet für den Schöpfer eines urheberrechtlich geschützten Werkes, dass die Höhe der Lizenzgebühr weiterhin von verschiedenen Faktoren wie der Marktlage und der Interessenlage von Lizenzgeber und Lizenznehmer abhängt. Ein nach der Verletzung des Urheberrechts geschlossener Lizenzvertrag, kann nicht in die Berechnung der Gebühr miteinfließen. Vielmehr muss der Urheber sich mit einem potentiellen Lizenznehmer vor der Übertragung der Nutzungsrechte ganz individuell über die Höhe der Lizenz und das Lizenzmodell einigen. Die am Häufigsten herangezogenen Lizenzmodelle sind dafür:
- Pauschallizenz
- Stücklizenz
- Umsatzlizenz
- Gewinnlizenz
- Mindestlizenz
Egal ob also ein pauschaler Betrag für die Nutzung des Werkes vereinbart wird, die Gebühr pro Stück bezahlt werden soll oder der Lizenzgeber am Umsatz beteiligt wird. Wird vor der Nutzung des geschützten Werkes kein Lizenzvertrag abgeschlossen, muss im Nachhinein berechnet werden, was vernünftige Vertragspartner zur Zeit der Verletzungshandlung am Markt als Vergütung hypothetisch vereinbart hätten. Wird beispielsweise ein Foto unberechtigterweise genutzt, kommt es bei der Berechnung der fiktiven Gebühr meist vor allem auf Intensität und Ausmaß der Nutzung, auf die Nutzungsdauer und die Qualität des Fotos an. Als Anhaltspunkt für diese fiktive Lizenzgebühr können branchenübliche Vergütungssätze oder eine beim Lizenzgeber bereist bestehende Vertragspraxis als Vergleichsmaßstab herangezogen werden, bei der der Verletzer jedoch berechtigt bleibt, den Nachweis zu erbringen, dass bei rechtmäßiger Nutzung des Bildes ein niedrigeres Honorar zu zahlen gewesen wäre.
Eine Gebühr, die der Rechtsverletzer zahlt, weil er weitere rechtliche Schritte vermeiden will ist aber gerade nicht üblich, sondern zu hoch angesetzt, da das Unterlassen weiterer Schritte in Bezug auf die Rechtsverletzung quasi "mitbezahlt" wird. Da für die Berechnung der Höhe der als Schadensersatz zu zahlenden Lizenzgebühr der Richter gemäß § 287 ZPO alle relevanten Umstände des Einzelfalls nach seiner freien Überzeugung bemessen kann und die BGH-Richter nun festgestellt haben, dass ein nachträglich geschlossener Vertrag für die Berechnung der Höhe der tatsächlichen Lizenzgebühr nicht herangezogen werden darf, können Tatrichter in Zukunft die Schadensberechnung anhand der Lizenzanalogie nur anhand objektiven Faktoren zur Zeit der Verletzungshandlung, bemessen. Zumindest bei Lichtbildern werden von Richtern häufig die Honorarempfehlungen der Mittelstandsgemeinschaft Fotomarketing (MFM) zur Schadensschätzung herangezogen. Die MFM ist ein Arbeitskreis des Bundesverbandes der Pressebild-Agenturen und Bildarchive e.V., der marktübliche Vergütungen für Bildnutzungsrechte ermittelt. Die Anwendung dieser Regelungen ist allerdings umstritten, da jeweils nur die Analyse der Einzelfallumstände eine aussagekräftigere Grundlage für die Schätzung der angemessenen Lizenzgebühr bieten.
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