BGH: Viele Coaching-Verträge ohne Zulassung nach FernUSG nichtig – Rückforderung möglich

Wer ein hochpreisiges Online-Coaching oder Mentoring-Programm bucht, kann unter Umständen sein Geld zurückfordern. Das gilt auch dann, wenn bereits ein Teil der Leistungen in Anspruch genommen wurde. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat dies mit Urteil vom 12. Juni 2025 (Az. III ZR 109/24) ausdrücklich bestätigt.

von Olivia Wykretowicz

Online Coaching Mentoring Programm Geld zurück

Worum ging es im konkreten Fall?

Ein Teilnehmer hatte bei einem Coaching-Anbieter ein sogenanntes "9-Monats-Business-Mentoring-Programm Finanzielle Fitness" zum Gesamtpreis von 47.600 Euro gebucht. Bestandteil des Programms waren unter anderem regelmäßige Online-Meetings, Lehrvideos, Hausaufgaben und Workshops zu Themen wie Mindset, Marketing, Unternehmensstruktur und Vertrieb. Der Anbieter bezeichnete sich selbst als "Akademie". Der Teilnehmer zahlte zunächst die Hälfte der Vergütung, kündigte jedoch nach sieben Wochen und verlangte sein Geld zurück.

Das Oberlandesgericht Stuttgart hatte den Vertrag bereits in der Vorinstanz für nichtig gemäß § 7 Abs. 1 FernUSG erklärt, da eine Zulassung im Sinne von § 12 Abs. 1 Satz 1 FernUSG fehlte. Der BGH bestätigte diese Entscheidung mit Urteil vom 12. Juni 2025 (Az. III ZR 109/24).

Wann liegt Fernunterricht vor?

Nach § 1 Abs. 1 FernUSG ist Fernunterricht die entgeltliche Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten auf vertraglicher Grundlage, bei der Lehrende und Lernende überwiegend räumlich getrennt sind und der Lernerfolg überwacht wird. Im konkreten Fall waren diese Voraussetzungen nach Auffassung des Gerichts erfüllt:

  • Die Inhalte des Programms waren klar auf Wissensvermittlung ausgerichtet. Lernziele waren vordefiniert und unabhängig von der individuellen Situation der Teilnehmer.

  • Die Interaktion erfolgte hauptsächlich online, wobei viele Inhalte wie Lehrvideos und aufgezeichnete Meetings asynchron, also zeitversetzt abrufbar, zur Verfügung gestellt wurden.

  • Eine Überwachung des Lernerfolgs war dadurch gegeben, dass die Teilnehmer ausdrücklich berechtigt waren, in Gruppenmeetings, per E-Mail oder über Facebook Fragen zu stellen, um ihr Verständnis überprüfen zu lassen.

Coaching oder Fernunterricht?

Ein häufiges Argument von Coaching-Anbietern lautet, ihr Angebot diene vor allem der persönlichen Entwicklung oder Begleitung und sei daher kein Fernunterricht. Der BGH differenziert hier jedoch deutlich: Enthält das Angebot maßgebliche didaktisch strukturierte Inhalte zur Wissensvermittlung – etwa durch Lernziele, Lektionen oder Aufgaben –, liegt Fernunterricht im Sinne des Gesetzes vor. Dass ein Programm einzelne Coachingsitzungen enthält, reicht nicht aus, um die Einordnung zu vermeiden, wenn diese nicht im Mittelpunkt stehen.

FernUSG gilt auch bei Verträgen zwischen Unternehmern

Der BGH stellt klar, dass das FernUSG nicht nur für Verbraucher im Sinne von § 13 BGB gilt. Auch Verträge, die Unternehmer im Sinne von § 14 BGB abschließen – etwa um sich geschäftlich fortzubilden – fallen unter das Gesetz, wenn die übrigen Voraussetzungen erfüllt sind. Das folgt unter anderem aus dem Wortlaut des § 2 Abs. 1 FernUSG, der lediglich von "Veranstalter" und "Teilnehmer" spricht, ohne die Teilnahme auf Verbraucher zu beschränken.

Rückzahlung trotz Teilnahme an Teilen des Programms?

Der Teilnehmer hatte bereits sieben Wochen lang Programminhalte genutzt. Dennoch sprach ihm der BGH einen vollständigen Rückzahlungsanspruch zu, weil er für einen rechtlich unwirksamen Vertrag bereits Geld gezahlt hatte (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB). Grundsätzlich kann der Anbieter in solchen Fällen zwar verlangen, dass der Kunde für den erhaltenen Nutzen eine Entschädigung zahlt (den sogenannten Wertersatz). Dafür muss er aber belegen, dass der Kunde ohne das konkret gebuchte Angebot ein vergleichbares (und rechtlich zulässiges) Programm gebucht hätte, für das er ebenfalls hätte zahlen müssen. Ein solcher Nachweis war im entschiedenen Fall nicht gelungen.

Rechtliche Prüfung lohnt sich

Viele aktuelle Coaching-Programme – insbesondere im Bereich Business, Persönlichkeitsentwicklung oder Marketing – erfüllen die Kriterien des Fernunterrichts. Wenn keine Zulassung durch die ZFU (Zentralstelle für Fernunterricht) vorliegt, kann der gesamte Vertrag nichtig sein. Das gilt unabhängig davon, ob der Vertrag von einer Privatperson oder von einem Unternehmen abgeschlossen wurde.

Wer ein teures Coaching-Programm gebucht hat und damit unzufrieden ist, sollte daher den Vertrag rechtlich überprüfen lassen. Auch bei bereits geleisteten Zahlungen kann sich ein Rückforderungsanspruch ergeben. Entscheidend ist die tatsächliche Ausgestaltung des Programms, nicht dessen Werbebotschaft.

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Wir beraten Sie gern, wenn Sie ein Coaching- oder Mentoring-Programm gebucht haben und unsicher sind, ob der Vertrag wirksam zustande gekommen ist. Dabei spielt es keine Rolle, ob Sie als Privatperson oder Unternehmerin bzw. Unternehmer handeln. Sprechen Sie uns an.

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