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Deutsche Gerichte sind für Verfahren gegen Google wegen der Löschung einer negativen Bewertung zuständig

Das Landgericht (LG) Trier hat per Beschluss entschieden, dass es für den Erlass von einstweiligen Verfügung gegen Google wegen der Löschung einer negativen Bewertung international und örtlich zuständig ist (Beschluss vom 28.11.2022, Az. 1 O 11/22). Das Gericht berief sich dabei auf § 32 Zivilprozessordnung (ZPO). Nach Auffassung der mueller.legal Rechtsexperten ergibt sich die Zuständigkeit jedoch aus dem Europarecht (Art. 7 Nr. 2 Brüssel Ia-Verordnung (Nr. 1215/2012)).

von Carl Christian Müller

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LG Trier verpflichtet Google per einstweiliger Verfügung

Negative Bewertungen löschen: Kurzfristiges Handeln ist entscheidend!

Geht es um die Löschung einer negativen Bewertung ist Eile geboten: Ob bei Restaurants, Dienstleistern oder anderen Unternehmen Bewertungen im Internet werden von einer Vielzahl von Verbrauchern und potenziellen Kunden gelesen. Hat ein Unternehmen negative Bewertungen entscheidet sich der Kunde gegebenenfalls für einen anderen Anbieter. Das heißt jeder Tag, an dem die Bewertung online abrufbar ist, kann einen verlorenen Kunden bedeuten. Löscht ein Online-Bewertungsportal eine Bewertung nicht, bietet es sich an ein einstweiliges Verfügung zu beantragen. Dieses Verfahren muss jedoch innerhalb eines Monats ab Kenntnisnahme der Bewertung eingeleitet werden. Aus diesem Grund ist es ratsam, direkt einen spezialisierten Anwalt mit der Löschung der Bewertung zu beauftragen, welcher im Anschluss unmittelbar einen Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung stellen kann.

 

Was ist eine einstweilige Verfügung überhaupt?

Eine einstweilige Verfügung ist ein Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes und dient dazu einen privaten Anspruch aufgrund der bestehenden Eilbedürftigkeit abzusichern. Eine negative Bewertung kann rechtswidrig sein, wenn der Inhalt das unternehmerische Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt. Betroffene haben dann grundsätzlich einen Anspruch auf Unterlassung dieser Aussage, d.h. das Löschen der negativen Bewertung. Wie oben bereits beschrieben, ist Zeit ein wesentliches Element bei der Verteidigung gegen negative Bewertungen.

 

Welches Gericht ist örtlich zuständig?

Welches Gericht für den Erlass der Verfügung örtlich zuständig ist, hängt von verschiedenen Faktoren hab: Wo lebt der Antragssteller oder wo sitzt der Antragssteller, wenn es sich um ein Unternehmen handelt? Bei Verträgen kommt es unter anderem darauf an, an welchem Ort die Leistung zu erbringen ist oder bei unerlaubten Handlungen darauf, wo diese rechtswidrige Handlung vorgenommen worden ist. In einem durch mueller.legal betreuten Mandat ging es um die Löschung einer negativen Bewertung auf Google. Der Mandat hat seinen Unternehmenssitz in Trier, bietet medizinische Leistungen an und betreut Patienten aus Deutschland, Luxemburg, Belgien und Frankreich. Der Antrag richtete sich gegen Google. Der Suchmaschinenbetreiber hat seinen Hauptsitz in den USA und betreibt unter anderem eine europäische Niederlassung in Irland.

 

LG Trier erklärt sich für zuständig

Das Landgericht (LG) Trier hat in dieser Angelegenheit bestätigt, dass es für diesen Fall örtlich und international zuständig ist. Diese Entscheidung stützt das Gericht auf § 32 Zivilprozessordnung (ZPO). Diese Norm kodifiziert den besonderen Gerichtsstand der unerlaubten Handlung. Der Antragssteller kann demgemäß, wenn er Betroffener einer potenziell unerlaubten Handlung ist, den Antrag bei dem Gericht stellen, in dessen Bezirk die unerlaubte Handlung begangen wurde. Wie das LG Trier ausführte, muss der als rechtsverletzend beanstandete Inhalt objektiv einen Bezug zum Inland aufweisen, sodass die Rechtsverletzung in Deutschland eingetreten ist oder zumindest eingetreten sein kann. Dazu muss über die bloße Abrufbarkeit des Inhalts in Deutschland hinaus, die Kenntnisnahme der negativen Bewertung im Inland wesentlich näher liegen als im Ausland, erklärte das Gericht. Dies sei im vorliegenden Fall erfüllt, da der Mandant von mueller.legal einen Kundenstamm in Deutschland habe und ihre Dienstleistungen hauptsächlich in der Grenzregion rund um Trier anböte, schloss das LG Trier.

 

International Zuständigkeit ergibt sich aus Europarecht

Zudem kann sich die internationale und örtliche Zuständigkeit auch aus Europarecht ergeben: Gemäß Art. 7 Nr. 2 Brüssel Ia-Verordnung (Nr. 1215/2012) kann der Betroffene die Entfernung eines rechtsverletzenden Inhalts im Internet vor verschiedenen Gerichten geltend machen. Er kann wählen zwischen dem Ort der Niederlassung des Urhebers des rechtswidrigen Inhaltes und dem Gericht, in dessen Zuständigkeitsbereich "der Mittelpunkt der Interessen der betroffenen Person" liegt. Dieser "Mittelpunkt" bestimmt sich danach, wo der "Erfolg", das heißt der Schaden für die negativ bewertete Einrichtung eingetreten ist. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in Bezug auf Unternehmen erklärt, dass der "Mittelpunkt des Interesses" davon abhängig ist, wo das Unternehmen "das gefestigste geschäftliche Ansehen" hat (Urteil vom 17.10.2017, Az. C 194/16). Das kann der Ort sein, an dem das Unternehmen hauptsächlich tätig ist und muss nicht mit dem offiziellen Unternehmenssitz übereinstimmen. Die Mandantschaft von mueller.legal bietet ihre Internetseit in deutscher, französischer und englischer Sprache an und hat Kunden aus Belgien, Frankreich, Luxemburg und Deutschland. Der Schwerpunkt des Marketings liegt in Deutschland, sodass der Mittelpunkt im Gerichtsbezirk des LG Trier liegt.

 

Bewertungen sind verfassungsrechtlich geschützt, das unternehmerische Persönlichkeitsrecht aber auch

Mit der einstweiligen Verfügung wird im vorliegenden Fall der Anspruch auf Unterlassung einer das unternehmerische Persönlichkeitsrecht verletzenden Aussage geltend gemacht. In der angegriffenen Bewertung hatte der Rezensent ausgedrückt, dass er mit den Leistungen nicht zufrieden war und die dafür erhobenen Preise zu hoch fand. Das LG Trier hat entschieden, dass diese Bewertung das Persönlichkeitsrecht des bewerteten Unternehmens verletzt. Zwar handele es sich um eine Meinungsäußerung des Bewertenden, die auch aufgrund der gesellschaftlichen Anerkennung von Online-Kundenbewertungssystemen verfassungsrechtlichen Schutz, insbesondere der Meinungs- und Informationsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 S. 1 Grundgesetz (GG), genießt, jedoch haben die Rechte des Unternehmens vorliegend Vorrang, erklärte das LG Trier. Dies deshalb, weil dem Lesenden der Eindruck vermittelt wird, der Rezensent sei tatsächlich mit den Leistungen und Angeboten des Unternehmens in Kontakt gekommen. Jedoch wurde vorliegend durch den Anwalt von mueller.legal ausreichend glaubhaft gemacht, dass die Mandantschaft unter dem Namen des Rezensenten keinen Patienten aufgenommen hatte, wertete das Gericht.

 

Google kann unmittelbar in Anspruch genommen werden

Zuletzt hat das Landgericht Trier klar gestellt, dass der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung auch unmittelbar gegen Google als mittelbaren "Rechtsverletzer" bzw. mittelbaren Störer durchgesetzt werden kann. Grundsätzlich dürfe der mittelbare Störer nicht übermäßig für Rechtsverletzungen anderer in Anspruch genommen werden, jedoch obliege Google für diese Bewertungen eine Prüfpflicht bezüglich der Rechtmäßigkeit der getätigten Äußerungen, führte das LG Trier aus. Wie der zuständige Anwalt von mueller.legal dargelegt hatte, hat Google die Bewertung trotz mehrfacher Beanstandung nicht entfernt, sodass der Suchmaschinenbetreiber insoweit der Prüfpflicht nicht nachgekommen ist und die Verfügung somit direkt gegen Google ergehen kann.

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