• Urheberrecht

Drohnen-Fotografien von urheberrechtlich geschützten Werken fallen unter die Panoramafreiheit

Das Landgericht (LG) Frankfurt am Main hat in einem von uns geführten Verfahren entschieden, dass es zulässig ist, urheberrechtlich geschützte Werke, die sich im öffentlichen Raum befinden, aus dem Luftraum heraus zu fotografieren und die Fotografien (auch gewerblich) zu veröffentlichen und verbreiten. Eine solche Handlung ist von der urheberrechtlichen Panoramafreiheit (§ 59 UrhG) gedeckt. (LG Frankfurt am Main, Urt. v. 25.11.2020, Az. 2-06 O 136/20).

von Carl Christian Müller

Luftaufnahme Limburg an der Lahn

Pressemitteilung

Drohnenbilder von der Autobahnbrücke Limburg

Das klagende Ingenieurbüro verfügt über die urheberrechtlichen Nutzungsrechte an der Lahntalbrücke Limburg, einer Autobahnbrücke östlich von Limburg in Hessen. Der von uns vertretene Fotograf fertigte 2016 im Rahmen einer freien Arbeit mit dem Einsatz einer Drohne Aufnahmen der im Bau befindlichen Lahntalbrücke an und veröffentlichte diese auf seiner Internetseite vonganzoben.de.


Fotograf: vonganzoben.de; Architekten: Ludwig Karl, Markus Probst; Ingenieur: Norbert Nieder

Hierauf wurde das klagende Ingenieurbüro im Jahre 2017 aufmerksam und beauftragte den Fotografen, weitere Drohnen-Aufnahmen der nunmehr fertiggestellten Brücke zu machen. An diesen Fotografien räumte unser Mandant dem Unternehmen die einfachen Nutzungsrechte ein. Diese erlauben eine eigene Nutzung der Fotos, nicht aber deren Weitergabe an Dritte.

Wechselseitige Abmahnungen

Im Frühjahr 2020 ließ das Ingenieurbüro den Fotografen wegen der im Jahre 2016 ohne Auftrag gefertigten Aufnahmen unter Berufung des Urheberschutzes der Brücke als Bauwerk abmahnen und forderte ihn auf, künftig kein Bildmaterial der Lahntalbrücke mehr zu veröffentlichen. Dem vorausgegangen waren Abmahnungen des Fotografen, die dieser gegenüber einem Bauunternehmen und einem Architekturbüro ausgesprochen hatte, weil diese seine im Auftrag des klagenden Ingenieurbüros im Jahre 2017 erstellten Fotografien verwendet hatten, ohne hierzu berechtigt zu sein. Wie sich später herausstellte, hatte das klagende Ingenieurbüro diese Fotografien weitergegeben, ohne hierzu jedoch von unserem Mandaten die erforderlichen Nutzungsrechte erworben zu haben.

LG Frankfurt: Luftbildfotografien sind keine Urheberrechtsverletzung

Nachdem außergerichtlich keine Lösung gefunden werden konnte, klagte das Ingenieurbüro vor dem LG Frankfurt und beantragte, den Fotografen zur Zahlung von Schadensersatz und der Erstattung der Anwaltskosten zu verurteilen. Insgesamt betrugen die Forderungen gegen den Fotografen über 6.000 EUR. Das Landgericht wies die Klage ab. Die Frage, ob die Lahntalbrücke als Bauwerk Urheberschutz beanspruchen kann, sprachen die Richter erst gar nicht an. Jedenfalls, so das Gericht, liege keine Urheberrechtsverletzung vor, da die Aufnahme und das Veröffentlichen der Drohnen-Fotos unter die urheberrechtliche Panoramafreiheit des § 59 Abs. 1 Urheberrechtsgesetz (UrhG) falle. Die Panoramafreiheit erlaubt es, Lichtbilder von urheberrechtlich geschützten Werken, die sich dauerhaft im öffentlichen Raum befinden, zu fotografieren und die Bilder anschließend zu verbreiten und öffentlich wiederzugeben sowie gewerblich auszuwerten.

Standort des Werkes maßgeblich – nicht der Blickwinkel

Die Frankfurter Urheberrechtskammer betont in den Urteilsgründen, der bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) zu § 59 UrhG nicht folgen zu wollen. Die Ansicht, nach der Luftbildaufnahmen von Gebäuden nicht unter die Panoramafreiheit fielen, sei überkommen – so das Gericht wörtlich. Vielmehr sei § 59 UrhG europarechtskonform dahingehend auszulegen, dass Luftbildaufnahmen sowie der Einsatz von Hilfsmitteln von der Panoramafreiheit gedeckt sei. Ausschlaggebend sei alleine, dass das Werk an einem öffentlichen Ort stehe und nicht, wie und aus welchem Blickwinkel es aufgenommen werde.

LG Frankfurt: Luftraum ist der Allgemeinheit frei zugänglich

„Wir begrüßen das Urteil des LG Frankfurt, gleich wenn es aus unserer Sicht im Ergebnis keine Abkehr der bisherigen Rechtsprechung des BGH, sondern vielmehr deren konsequente Fortschreibung ist“, so Rechtsanwalt Carl Christian Müller, der den Fotografen in dem Verfahren vertreten hatte. „Wir hatten uns insofern auf das AIDA-Urteil des BGH berufen.“, so Müller weiter. Hier hatte ein Fotograf den auf den Bug des Kreuzfahrtschiffes AIDA gemalten Kussmund fotografiert und auf Postkarten abgedruckt (BGH, Urt. v. 27.4.2017, Az. I ZR 247/15). Der BGH hatte dazu entschieden, dass der Kussmund zwar Urheberschutz beanspruchen, dessen Vervielfältigung und Vertrieb über Postkarten aber unter die Panoramafreiheit fällt. Die Nennung von „Wegen, Straßen oder Plätzen“ in § 59 UrhG sei lediglich beispielhaft, so der BGH. Insofern seien auch die mit einem Wasserfahrzeug befahrbaren Seewasserstraßen als öffentlicher Ort anzusehen. „Für uns war nicht erkennbar, warum Fotografien, die von einem Boot aus gefertigt werden unter die Panoramafreiheit fallen sollen, dies für Drohnen-Fotografien aber nicht gelten soll, denn wie die Wasserstraßen ist auch der Luftraum ist für jedermann frei zugänglich (§ 1 Abs. 1 Luftverkehrsgesetz). Dass Drohnenfliegen grundsätzlich erlaubnispflichtig ist, kann daran nichts ändern, denn dies gilt grundsätzlich auch für Wasserfahrzeuge“, so Rechtsanwalt Müller.

Schranken des Urheberrechts sind im Lichte der Grundrechte auszulegen

Rechtsanwalt Müller führt abschließend aus: „Das Urteil ist überzeugend begründet. Erfreulich ist der Hinweis des Gerichts, dass es keinen Rechtssatz gibt, nach der Ausnahmevorschriften stets restriktiv, sondern vielmehr nach deren Sinn und Zweck auszulegen sind. Insofern ist hierin in der Tat eine Abkehr von der tendenziell strengen und eher rechteinhaberfreundlichen deutschen Rechtsprechung zu sehen. Das Urteil steht insofern im Einklang mit der jüngeren Rechtsprechung des EuGH zur Auslegung der urheberrechtlichen Schrankenbestimmung, nach der in der Informationsgesellschaft die Schranken des Urheberrechts im Lichte der Grundrechte, hier insbesondere der Meinungsfreiheit, der Kunstfreiheit und der Informationsfreiheit auszulegen sind. Zustimmung verdient die Erwägung des Landgerichts Frankfurt, dass § 59 UrhG ein Einfallstor für Abmahnungen biete, wolle man bei der bisherigen restriktiven Rechtsprechung bleiben – zumal das Urheberrecht insofern nicht zwischen privater und gewerblicher Nutzung unterscheidet.“ so Müller abschließend.

Das Urteil des Landgerichts Frankfurt vom 25.11.2020 (Az. 2-06 O 136/20) im Volltext kann hier abgerufen werden.

Kontakt:
Carl Christian Müller
Mueller.legal Rechtsanwälte Partnerschaft
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