Am heutigen Dienstag steht die Entscheidung der Bundesregierung zur geplanten EU-Chatkontrolle unmittelbar bevor. Das Innen- sowie das Justizministerium beraten über die deutsche Position zum umstrittenen Vorhaben, das bereits morgen im Ausschuss der Ständigen Vertreter (AStV) in Brüssel diskutiert wird. Deutschland nimmt dabei eine Schlüsselrolle ein, da das Abstimmungsverhalten maßgeblich über das weitere Schicksal der Chatkontrolle im EU-Rat entscheidet.
EU-Chatkontrolle vor Entscheidung: Bundesregierung steht im Zentrum der Debatte um Datenschutz und Kinderschutz
von Olivia Wykretowicz

Was ist die Chatkontrolle?
Mit der sogenannten Chatkontrolle sollen Messenger-Dienste und Hosting-Plattformen gesetzlich verpflichtet werden, private Nachrichten, Fotos und Videos von Nutzerinnen und Nutzern automatisiert nach Darstellungen sexualisierter Gewalt an Kindern zu durchsuchen, und zwar bevor die Kommunikation verschlüsselt wird. Verdachtsfälle müssten direkt an Behörden gemeldet werden. Ziel ist es, Kindesmissbrauch im Netz wirksamer zu bekämpfen.
Kritik und Bedenken
Das Vorhaben stößt auf massive Kritik von Datenschützerinnen und Datenschutzexperten, IT-Verbänden und zivilgesellschaftlichen Organisationen. Sie warnen vor einer anlasslosen Massenüberwachung, der Gefahr millionenfacher Fehlalarme und weisen darauf hin, dass selbst vertrauliche und legale Kommunikation pauschal unter Verdacht gerät. Gerade die sogenannte „client-side scanning“-Technologie bedroht die Sicherheit verschlüsselter Kommunikation und beeinträchtigt den Schutz der Privatsphäre. Messenger-Dienste wie Signal, WhatsApp und Threema haben angekündigt, bei Inkrafttreten diese Verpflichtung nicht erfüllen zu können und befürchten schwerwiegende Auswirkungen auf die digitale Sicherheit.
Standpunkte von Expertinnen und Organisationen
- Der Juristische Dienst der EU-Staaten hält das Vorhaben für unverhältnismäßig.
- Der Deutsche Kinderschutzbund und weitere Kinderschutzorganisationen sehen darin keine zielführende Maßnahme; sie sprechen sich gegen Chatkontrolle aus, da diese tief in die Privatsphäre eingreife und die Ermittlungsbehörden zusätzlich belaste.
- Wissenschaftliche Expertinnen und Experten aus über 30 Ländern fordern stattdessen gezielte und wirksame Maßnahmen, etwa die Verbesserung der Aufklärungsquote bei tatsächlichen Verdachtsmomenten, und lehnen pauschale Massenüberwachung strikt ab.
Was kommt als Nächstes?
Sollte sich eine Mehrheit im Ausschuss der Ständigen Vertreter abzeichnen, könnte der finale Beschluss bereits kommende Woche im Rat der EU erfolgen. Die Entscheidung Deutschlands ist dabei richtungsweisend für den weiteren Verlauf der europäischen Gesetzgebung. Die Debatte um Grundrechtsschutz, Datenschutz und Kinderschutz bleibt nach wie vor kontrovers.