EuGH: Das Gericht erklärt die Aufnahme eines belarussischen Journalisten in die Liste der von den restriktiven Maßnahmen gegen Belarus betroffenen Personen für nichtig

Herr Aliaksei Mikhalchanka ist belarussischer Staatsangehöriger und Journalist beim öffentlichen Fernsehsender Obshchenatsional’noe Televidenie (ONT). Nachdem in Belarus Menschen verschwunden waren und es zu Wahlfälschungen und schweren Menschenrechtsverletzungen gekommen war, beschloss der Rat restriktive Maßnahmen (Ein- und Durchreiseverbot für das Hoheitsgebiet der Union und Einfrieren von Geldern) gegen verschiedene belarussische Staatsangehörige.

von Carl Christian Müller

2011 erließ der Rat solche Maßnahmen gegen Herrn Mikhalchanka mit folgender Begründung: „Journalist des staatlichen Fernsehsenders ONT in einflussreicher Stellung“. 2012 erhielt der Rat diese Maßnahmen aufrecht, änderte aber die Begründung wie folgt: „Journalist des staatlichen Fernsehsenders ONT in einflussreicher Stellung. ist Moderator der Fernsehsendung ‚So ist es (That is how it is)‛. Dieses Programm ist ein Instrument der Staatspropaganda im Fernsehen, die repressive Maßnahmen gegen die demokratische Opposition und die Zivilgesellschaft unterstützt und rechtfertigt. Die Opposition und die Zivilgesellschaft werden unter Verwendung gefälschter Informationen systematisch negativ und herabwürdigend dargestellt. In dieser Hinsicht war nach der Niederschlagung der friedlichen Demonstrationen vom 19. Dezember 2010 und der anschließenden Proteste besonders aktiv.“ Herr Mikhalchanka begehrt die Nichtigerklärung dieser Eintragungen.

Mit seinem heutigen Urteil gibt das Gericht der Nichtigkeitsklage von Herrn Mikhalchanka statt.

Das Gericht stellt erstens fest, dass bei der Aufrechterhaltung der restriktiven Maßnahmen im Jahr 2012 die Verteidigungsrechte von Herrn Mikhalchanka verletzt wurden. Da die 2012 angeführten Gründe anders lauten als die 2011 angeführten Gründe, war der Rat verpflichtet, Herrn Mikhalchanka zuvor über die neuen Gesichtspunkte zu unterrichten, die er ihm gegenüber anzuführen beabsichtigte. Da die Maßnahmen von 2012 vor ihrer Annahme Herrn Mikhalchanka nicht mitgeteilt wurden, hat er seinen Standpunkt vor Erlass der betreffenden Rechtsakte nicht gebührend darlegen können.

Das Gericht stellt zweitens fest, dass der Rat bei den 2011 angeführten Gründen Beurteilungsfehler begangen hat. Anders als in den Maßnahmen von 2011 angegeben, ergibt eine Prüfung der Akten nicht, dass Herr Mikhalchanka ein Journalist in einflussreicher Stellung ist. Herr Mikhalchanka übt seine Tätigkeit nicht in einer höheren Position innerhalb der Organisation des ONT aus. Er ist vielmehr ein spezialisierter Journalist, politischer Kommentator in der Nachrichtenredaktion des ONT und Moderator der Fernsehsendung „Kak Est“. Der Rat hat auch keine Anhaltspunkte vorgetragen für den Einfluss, die konkreten Auswirkungen und die Verantwortung, die Herr Mikhalchanka und gegebenenfalls die von ihm moderierte Fernsehsendung bezüglich der Verletzung internationaler Wahlstandards und der repressiven Maßnahmen gegen die Zivilgesellschaft und die demokratische Opposition haben konnten. So geht aus den vom Rat vorgelegten Dokumenten weder hervor, dass die Sendung „Kak Est“ ein großes Publikum hatte, noch dass Herr Mikhalchanka ein derart einflussreicher Journalist in den belarussischen Medien war, dass er einen Teil der Verantwortung für die Verletzung internationaler Wahlstandards und die repressiven Maßnahmen gegen die Zivilgesellschaft und die demokratische Opposition getragen hätte. Der Rat hat daher keinen Beweis für den Einfluss dieser Sendung in den belarussischen Medien erbracht.

HINWEIS: Gegen die Entscheidung des Gerichts kann innerhalb von zwei Monaten nach ihrer Zustellung ein auf Rechtsfragen beschränktes Rechtsmittel beim Gerichtshof eingelegt werden.

HINWEIS: Eine Nichtigkeitsklage dient dazu, unionsrechtswidrige Handlungen der Unionsorgane für nichtig erklären zu lassen. Sie kann unter bestimmten Voraussetzungen von Mitgliedstaaten, Organen der Union oder Einzelnen beim Gerichtshof oder beim Gericht erhoben werden. Ist die Klage begründet, wird die Handlung für nichtig erklärt. Das betreffende Organ hat eine durch die Nichtigerklärung der Handlung etwa entstehende Regelungslücke zu schließen.

Quelle: Pressemitteilung Gerichtshof der Europäischen Union vom 23.09.14

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