EuGH: Ein System wie das in Spanien eingeführte, bei dem der gerechte Ausgleich für Urheber im Fall von Privatkopien aus dem Staatshaushalt finanziert wird, verstößt gegen die Urheberrechtsrichtlinie

Ein solches System gewährleistet nämlich nicht, dass die Kosten dieses gerechten Ausgleichs letztlich allein von den Nutzern von Privatkopien getragen werden

von Carl Christian Müller

Mit einer Richtlinie der Union wurde im Jahr 2001 ein harmonisierter Rechtsrahmen für das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte eingeführt, der von einem hohen Schutzniveau der Rechtsinhaber ausgeht. Danach müssen die Mitgliedstaaten den Urhebern u. a. das ausschließliche Recht gewähren, die Vervielfältigung ihrer Werke zu erlauben oder zu verbieten. Sie können allerdings Ausnahmen von diesem ausschließlichen Vervielfältigungsrecht vorsehen, u. a. für Vervielfältigungen durch natürliche Personen zum privaten Gebrauch und für nicht kommerzielle Zwecke (Ausnahme für Privatkopien). In diesem Fall müssen die Rechtsinhaber einen gerechten Ausgleich erhalten.

Seit dem Jahr 2012 wird der gerechte Ausgleich für Privatkopien in Spanien aus dem allgemeinen Staatshaushalt finanziert. Nach diesem System wird die Höhe des Ausgleichs jährlich innerhalb der für das jeweilige Haushaltsjahr vorgesehenen Haushaltsgrenzen festgelegt.

Im Februar 2013 beantragten mehrere mit der kollektiven Verwertung von Urheberrechten befasste Gesellschaften, die zur Erhebung des gerechten Ausgleichs befugt sind, beim Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof, Spanien), die fragliche spanische Regelung für nichtig zu erklären.

In diesem Zusammenhang fragt das Tribunal Supremo den Gerichtshof, ob die Richtlinie einem aus dem allgemeinen Staatshaushalt finanzierten System des gerechten Ausgleichs für Privatkopien entgegensteht, wenn dieses System, wie in Spanien, nicht zu gewährleisten vermag, dass die Kosten des gerechten Ausgleichs letzten Endes von den Nutzern von Privatkopien getragen werden.

Mit seinem heutigen Urteil stellt der Gerichtshof fest, dass die Richtlinie einem solchen System entgegensteht, da es nicht gewährleistet, dass die Kosten des gerechten Ausgleichs letztlich von den Nutzern von Privatkopien getragen werden.

Auch wenn der gerechte Ausgleich bislang meist durch eine Abgabe finanziert wird, hebt der Gerichtshof hervor, dass die Richtlinie die Mitgliedstaaten, die sich für die Einführung der Ausnahme für Privatkopien entschieden haben, grundsätzlich nicht an einer Finanzierung des Ausgleichs aus Haushaltsmitteln hindert (eine Lösung, die auch in Estland, Finnland und Norwegen gewählt wurde). Sofern ein solches alternatives System die Zahlung eines gerechten Ausgleichs an die Rechtsinhaber sicherstellt und aufgrund seiner Modalitäten die wirksame Erhebung gewährleistet, ist es nämlich grundsätzlich mit dem Ziel vereinbar, ein hohes Schutzniveau im Bereich des geistigen Eigentums zu wahren.

Der Gerichtshof weist jedoch darauf hin, dass die Ausnahme für Privatkopien allein für natürliche Personen gedacht ist, die Vervielfältigungen von Werken oder sonstigen Schutzgegenständen für den privaten Gebrauch und für nicht kommerzielle Zwecke anfertigen oder dazu in der Lage sind. Diese Personen sind es, die den Rechtsinhabern einen Schaden zufügen und die deshalb grundsätzlich verpflichtet sind, im Gegenzug den gerechten Ausgleich für die Rechtsinhaber zu finanzieren. Dagegen können juristische Personen die Ausnahme nicht in Anspruch nehmen.

In diesem Rahmen steht es den Mitgliedstaaten zwar frei, ein System einzuführen, bei dem juristische Personen unter bestimmten Bedingungen aus praktischen Gründen den gerechten Ausgleich zu finanzieren haben, doch dürfen sie nicht diejenigen sein, die diese Belastung am Ende tragen müssen. Dieses Erfordernis gilt in allen Fällen, in denen ein Mitgliedstaat die Ausnahme für Privatkopien einführt, unabhängig davon, ob das von ihm geschaffene System des gerechten Ausgleichs durch eine Abgabe finanziert wird oder aus seinem Haushalt.

Im vorliegenden Fall weist das Tribunal Supremo in seiner Vorlageentscheidung darauf hin, dass das System zur Finanzierung des gerechten Ausgleichs aus dem spanischen Haushalt nicht gewährleistet, dass die Kosten des Ausgleichs letztlich allein von den Nutzern der Privatkopien getragen werden. Mangels Zweckbindung konkreter Einnahmen – etwa der aus einer speziellen Abgabe – an bestimmte Ausgaben wird der für die Zahlung des gerechten Ausgleichs bestimmte Haushaltsposten offenbar aus allen im Staatshaushalt veranschlagten Mitteln gespeist und somit von sämtlichen Steuerzahlern einschließlich juristischer Personen aufgebracht. Es ist auch nicht ersichtlich, dass es in Spanien eine Regelung gäbe, aufgrund deren juristische Personen verlangen können, dass sie von der Pflicht, zur Finanzierung des Ausgleichs beizutragen, ausgenommen werden oder dass ihnen zumindest ihr Beitrag erstattet wird.

Quelle: Pressemitteilung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 09.06.2016

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