EuGH: Nach Ansicht von Generalanwalt Szpunar ist der Betreiber eines Geschäfts, einer Bar oder eines Hotels, der der Öffentlichkeit ein WLAN-Netz kostenlos zur Verfügung stellt, für Urheberrechtsverletzungen eines Nutzers nicht verantwortlich

Zwar könne der Betreiber durch eine gerichtliche Anordnung verpflichtet werden, diese Rechtsverletzung zu beenden oder zu verhindern, doch könne weder die Stilllegung des Internetanschlusses noch seine Sicherung durch ein Passwort oder die allgemeine Überwachung der Kommunikation verlangt werden.

von Carl Christian Müller

In dieser Rechtssache hat der Gerichtshof darüber zu entscheiden, ob und inwieweit ein Gewerbetreibender, der im Rahmen seiner Tätigkeiten der Öffentlichkeit ein WLAN-Netz mit Internetzugang unentgeltlich zur Verfügung stellt, für eine von einem Nutzer dieses Netzes begangene Urheberrechtsverletzung verantwortlich sein kann.

Herr Tobias Mc Fadden betreibt in der Nähe von München ein Geschäft für Licht- und Tontechnik, in dem er ein öffentlich zugängliches WLAN-Netz bereitstellt. Über dieses Netz wurde im Jahr 2010 ein musikalisches Werk, für das Sony die Rechte innehat, rechtswidrig zum Herunterladen angeboten. Das mit dem Rechtsstreit zwischen Sony und Herrn Mc Fadden befasste Landgericht München I ist der Ansicht, dass Herr Mc Fadden selbst die betreffenden Urheberrechte nicht verletzt habe. Es hält jedoch seine mittelbare Haftung für diese Rechtsverletzung für denkbar, da er sein WLAN-Netz nicht gesichert habe. Da es Zweifel hat, ob die Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr1 einer solchen mittelbaren Haftung entgegensteht, hat es dem Gerichtshof eine Reihe von Fragen vorgelegt.

Die Haftung von Vermittlern, die Dienste der reinen Durchleitung (mere conduit) von Daten anbieten, für eine von einem Dritten begangene rechtswidrige Handlung wird nämlich durch die Richtlinie beschränkt. Diese Haftungsbeschränkung greift, wenn drei kumulative Voraussetzungen erfüllt sind: 1. Der Anbieter von Diensten hat die Übermittlung nicht veranlasst. 2. Er hat den Adressaten der Übertragung nicht ausgewählt. 3. Er hat die übermittelten Informationen nicht ausgewählt oder verändert. Das Landgericht München I ist der Ansicht, dass diese abschließenden Voraussetzungen im vorliegenden Fall erfüllt sind, wirft jedoch die Frage auf, ob Herr Mc Fadden tatsächlich ein Anbieter von Diensten im Sinne der Richtlinie ist.

In seinen heutigen Schlussanträgen vertritt Generalanwalt Szpunar die Auffassung, dass diese Haftungsbeschränkung auch für eine Person wie Herrn Mc Fadden gilt, der als Nebentätigkeit zu seiner wirtschaftlichen Haupttätigkeit ein WLAN-Netz betreibt, das der Öffentlichkeit unentgeltlich zur Verfügung steht2. Nach Ansicht des Generalanwalts ist es nicht erforderlich, dass diese Person gegenüber der Öffentlichkeit als Anbieter von Diensten auftritt oder für ihre Tätigkeit bei potenziellen Kunden ausdrücklich Werbung macht.

Diese Haftungsbeschränkung steht nicht nur einer Verurteilung des Vermittlers zur Leistung von Schadensersatz entgegen, sondern auch seiner Verurteilung zur Tragung der Abmahnkosten und der gerichtlichen Kosten im Zusammenhang mit der von einem Dritten begangenen Verletzung des Urheberrechts.

Auch wenn die Richtlinie die Haftung eines Anbieters von Diensten der reinen Durchleitung in dieser Weise beschränkt, schützt sie ihn jedoch nicht vor dem Erlass einer mit einer Geldbuße bewehrten gerichtlichen Anordnung.

Ein nationales Gericht muss sich allerdings, wenn es eine solche Anordnung erlässt, vergewissern, 1. dass die Maßnahmen insbesondere wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sind, 2. dass sie darauf gerichtet sind, eine bestimmte Rechtsverletzung abzustellen oder zu verhindern, und keine allgemeine Überwachungspflicht implizieren und 3. dass ein angemessenes Gleichgewicht zwischen den einschlägigen Grundrechten, d. h. der Freiheit der Meinungsäußerung und der Informationsfreiheit sowie der unternehmerischen Freiheit einerseits und des Rechts des geistigen Eigentums andererseits gewahrt ist.

Im Übrigen steht die Richtlinie grundsätzlich dem Erlass einer gerichtlichen Anordnung nicht entgegen, die es dem Adressaten freistellt, welche konkreten Maßnahmen er ergreift. Es ist jedoch Sache des mit einem Antrag auf Erlass einer gerichtlichen Anordnung befassten nationalen Gerichts, sich zu vergewissern, dass es geeignete Maßnahmen gibt, die mit den unionsrechtlichen Beschränkungen im Einklang stehen.

Die Richtlinie steht allerdings dem Erlass einer gerichtlichen Anordnung entgegen, die an eine Person gerichtet ist, die als Nebentätigkeit zu ihrer wirtschaftlichen Haupttätigkeit ein öffentlich zugängliches WLAN-Netz betreibt, wenn der Adressat dieser Anordnung nur dadurch nachkommen kann, dass er 1. den Internetanschluss stilllegt oder 2. ihn mit einem Passwortschutz versieht oder 3. sämtliche über diesen Anschluss laufende Kommunikation daraufhin untersucht, ob das fragliche urheberrechtlich geschützte Werk erneut rechtswidrig übermittelt wird.

Die Auferlegung der Verpflichtung, den Zugang zum WLAN-Netz zu sichern, als ein Weg, Urheberrechte im Internet zu schützen, würde dem Erfordernis zuwiderlaufen, zwischen dem Recht des geistigen Eigentums, das die Inhaber von Urheberrechten genießen, und der unternehmerischen Freiheit der betroffenen Diensteanbieter ein angemessenes Gleichgewicht herzustellen. Außerdem würde diese Maßnahme durch die Beschränkung des Zugangs auf rechtmäßige Kommunikation das Recht auf Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit einschränken. Umfassender betrachtet könnte eine Verallgemeinerung der Verpflichtung, WLAN-Netze zum Schutz von Urheberrechten im Internet zu sichern, für die Gesellschaft insgesamt von Nachteil sein, und dieser Nachteil könnte den möglichen Vorteil für die Inhaber dieser Rechte überwiegen.

Rechtsstreit. Es ist Sache des nationalen Gerichts, über die Rechtssache im Einklang mit der Entscheidung des Gerichtshofs zu entscheiden. Diese Entscheidung des Gerichtshofs bindet in gleicher Weise andere nationale Gerichte, die mit einem ähnlichen Problem befasst werden.

Quelle: Pressemitteilung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 16.03.2016 zum Schlussantrag des Generalanwalts in der Rechtssache C-484/14

Zurück zur Newsübersicht