Ein neues EuGH-Urteil erhöht den Druck auf Online-Marktplätze: Werbeanzeigen mit sensiblen personenbezogenen Daten dürfen nicht einfach ungeprüft online gehen. Plattformbetreiber sollen künftig genauer hinsehen, ob Inhalte rechtmäßig sind und ob eine Einwilligung vorliegt, bevor eine Anzeige veröffentlicht wird.
EuGH: Online-Marktplätze müssen Anzeigen vorab auf Datenschutzverstöße prüfen
von Sarah Buchner
Sind Online-Plattformen für die Inhalte ihrer Nutzer verantwortlich?
Der Europäische Gerichtshof hat in Luxemburg entschieden, dass Betreiber von Online-Marktplätzen unter bestimmten Umständen eine Mitverantwortung für datenschutzwidrige Inhalte tragen, die Nutzerinnen und Nutzer einstellen. Im Mittelpunkt steht die Frage, ob sich Plattformen pauschal auf Haftungsprivilegien für nutzergenerierte Inhalte berufen können oder ob sie bereits vor Veröffentlichung eigene Prüfpflichten treffen.
Hintergrund: Anzeige mit Fotos und Telefonnummer ohne Einwilligung
Auslöser war ein Fall aus Rumänien: Eine unbekannte Person schaltete auf einem Anzeigenportal eine Anzeige für sexuelle Dienstleistungen im Namen einer Frau, ohne deren Wissen. In der Anzeige wurden Fotos sowie eine Telefonnummer veröffentlicht. Zwar entfernte der Betreiber die Anzeige nach der Beschwerde schnell, zu diesem Zeitpunkt war sie jedoch bereits kopiert und auf anderen Websites weiterverbreitet worden.
Kernaussage des EuGH: Plattformen datenschutzrechtlich mitverantwortlich
Nach der EuGH-Entscheidung kommt es entscheidend darauf an, welche Rolle die Plattform bei der Veröffentlichung und Verbreitung der Anzeige einnimmt. Ein Online-Marktplatz stelle nicht nur die Technik bereit, sondern bringe Inhalte in Verkehr. Daraus können Pflichten nach der DSGVO folgen, selbst wenn die Inhalte ursprünglich von Dritten erstellt wurden.
Besonders weitreichend ist die Anforderung, dass Anzeigen vor ihrer Veröffentlichung darauf geprüft werden müssen, ob sie sensible personenbezogene Daten enthalten und ob sie tatsächlich von der Person stammen, die die Anzeige aufgibt. Ist das nicht plausibel, muss geprüft werden, ob eine ausdrückliche Einwilligung oder eine andere Rechtsgrundlage vorliegt, ansonsten darf die Anzeige nicht online gehen.
Haftungsprivilegien sind kein Freifahrtschein gegenüber der DSGVO
Ein zentraler Punkt der Entscheidung ist das Verhältnis zwischen Datenschutzrecht und den Haftungsprivilegien für Hosting-Dienste, wie sie aus der E-Commerce-Richtlinie und dem Digital Services Act bekannt sind. Der EuGH betont, dass sich Plattformen der datenschutzrechtlichen Verantwortung nicht allein durch den Hinweis auf diese Privilegien entziehen können, wenn es um den Schutz personenbezogener Daten geht.
Mehr Aufwand für Plattform-Betreiber
Für Plattformbetreiber bedeutet das Urteil voraussichtlich deutlich mehr Aufwand in der Praxis. Neben inhaltlichen Prüfprozessen vor Veröffentlichung rücken auch technische und organisatorische Maßnahmen in den Fokus, damit rechtswidrige Anzeigen nicht massenhaft kopiert und weiterverbreitet werden. Das Urteil dürfte deshalb nicht nur klassische Marktplätze betreffen, sondern grundsätzlich Geschäftsmodelle, die Inhalte Dritter veröffentlichen und kommerziell nutzen.