EuGH: Werbung, die Preise zwischen Geschäften unterschiedlicher Art und Größe vergleicht, ist unter bestimmten Umständen unzulässig

Eine solche Werbung kann zudem irreführend sein, wenn der Verbraucher nicht in der Werbung selbst auf klare Weise von den Unterschieden in Art und Größe der verglichenen Geschäfte informiert wird

von Carl Christian Müller

Im Dezember 2012 lancierte Carrefour eine Fernsehwerbekampagne mit dem Titel „Tiefstpreisgarantie Carrefour“. Darin wurden die in den Carrefour-Geschäften verlangten Preise für 500 Waren großer Marken mit denen in Geschäften konkurrierender Handelsgruppen (darunter Intermarché-Geschäften) verglichen. Den Verbrauchern wurde angeboten, ihnen die zweifache Preisdifferenz zu erstatten, falls sie die Waren anderswo günstiger fänden. Ab dem zweiten Fernsehwerbespot waren die für den Vergleich ausgewählten Intermarché-Geschäfte ausnahmslos Supermärkte, während die Carrefour-Geschäfte sämtlich Hypermärkte waren. Diese Information erschien nur in kleinerer Schrift unterhalb des Namens „Intermarché“.

ITM, ein für die Strategie und Geschäftspolitik der Geschäfte der Intermarché-Handelsgruppe zuständiges Unternehmen, klagt bei den französischen Gerichten auf Unterlassung dieser Werbung sowie auf Schadensersatz wegen irreführender Werbung.

Die mit der Rechtssache befasste Cour d’appel de Paris (Berufungsgericht Paris, Frankreich) möchte vom Gerichtshof wissen, ob eine solche Werbung, in der die Preise für in Geschäften unterschiedlicher Größe oder Art vertriebenen Waren verglichen werden, nach der Richtlinie über irreführende und vergleichende Werbung1 zulässig ist. Das vorlegende Gericht möchte weiter wissen, ob der Umstand, dass die betreffenden Geschäfte unterschiedlicher Größe und Art sind, eine wesentliche Information ist, die gemäß der Richtlinie 2005/29 über unlautere Geschäftspraktiken2 notwendigerweise den Verbrauchern zur Kenntnis zu bringen ist.

Mit seinem heutigen Urteil weist der Gerichtshof zunächst darauf hin, dass nach der Richtlinie 2006/114 jede vergleichende Werbung die Preise objektiv vergleichen muss und nicht irreführend sein darf. Gehören aber sowohl der Werbende als auch die Mitbewerber zu Handelsgruppen, die jeweils über eine Reihe von Geschäften unterschiedlicher Größe und Art verfügen, und bezieht sich der Vergleich nicht auf die gleiche Größe und Art, kann die Objektivität des Vergleichs durch diesen Umstand verfälscht werden, wenn dieser Unterschied nicht in der Werbung erwähnt wird. Die Preise gängiger Verbrauchsgüter können nämlich je nach der Art oder Größe des Geschäfts variieren, so dass ein asymmetrischer Vergleich bewirken könnte, dass der Preisunterschied zwischen dem Werbenden und den Mitbewerbern künstlich erzeugt oder vergrößert wird, je nachdem, welche Geschäfte für den Vergleich herangezogen werden.

Eine Werbung ist zudem irreführend, wenn sie wesentliche Informationen vorenthält, die der durchschnittliche Verbraucher je nach den Umständen benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, oder die solche Informationen verheimlicht oder auf unklare, unverständliche, zweideutige Weise oder nicht rechtzeitig bereitstellt und daher den Durchschnittsverbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlassen kann, die er ansonsten nicht getroffen hätte. Eine Werbung wie die vorliegend in Rede stehende kann das wirtschaftliche Verhalten des Verbrauchers beeinflussen, indem sie ihn dazu veranlasst, eine

Entscheidung in dem irrigen Glauben zu treffen, dass er in den Genuss der in der Werbung hervorgehobenen Preisersparnis kommt, wenn er die jeweiligen Waren in allen Geschäften der Handelsgruppe des Werbenden statt in Geschäften konkurrierender Handelsgruppen erwirbt. Eine solche Werbung wird jedoch nur dann irreführend sein, wenn der Verbraucher nicht darüber informiert wird, dass der Vergleich zwischen den Preisen, die in den Geschäften größeren Umfangs oder größerer Art der Handelsgruppe des Werbenden verlangt werden, und den Preisen stattfindet, die in Geschäften kleineren Umfangs oder kleinerer Art konkurrierender

Handelsgruppen ermittelt wurden. Diese Information muss dabei nicht nur auf klare Weise bereitgestellt werden, sondern auch in der Werbebotschaft selbst enthalten sein. Es wird Sache der Cour d’appel de Paris (Berufungsgericht Paris) sein, zu prüfen, ob diese Voraussetzung im vorliegenden Fall erfüllt ist.

Quelle: Pressemitteilung des Gerichtshof der Europäischen Union vom 08.02.2017

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