Ein frei erfundenes Meme mit einem angeblichen Künast-Zitat zieht eine juristische Grundsatzdebatte nach sich: Müssen soziale Netzwerke nicht nur gezielt gemeldete, sondern auch kerngleiche Varianten von Persönlichkeitsrechtsverletzungen löschen – ohne dass der Betroffene jede einzelne URL angeben muss? Diese systemische Frage liegt nun dem EuGH zur Klärung vor.
- Äußerungsrecht
Falschzitate auf Facebook
von Carl Christian Müller

BGH setzt Verfahren Künast gegen Meta aus – EuGH soll Fragen zur Plattformhaftung klären
Hintergrund: Kerngleiche Inhalte und Plattformverantwortung
Im Verfahren VI ZR 64/24 hat der Bundesgerichtshof das Verfahren Künast gegen Meta (Facebook) ausgesetzt und dem Europäischen Gerichtshof (EuGH, C-492/23) mit zentralen Fragen vorgelegt. Ausgangspunkt ist ein auf Facebook massenhaft geteiltes Meme, das Renate Künast ein erfundenes, diskriminierendes Zitat zuschreibt, das sie nachweislich nie gesagt hat. Das Meme kursiert in verschiedenen, zum Teil nur leicht abgewandelten Varianten und wird oft von weiteren beleidigenden Kommentaren begleitet.
Klägerin verlangt Unterlassung für identische und kerngleiche Inhalte
Renate Künast verlangt von Meta, nicht nur das Ursprungsmeme, sondern alle identischen oder sinngleichen („kerngleichen“) Varianten des Posts zu identifizieren und zu löschen, unabhängig davon, ob sie jede einzelne Version mit Link melden kann. Zudem fordert sie Schmerzensgeld nicht unter 10.000 Euro für die schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung. In erster und zweiter Instanz wurde der Unterlassungsanspruch bestätigt, für den Schmerzensgeldanspruch sah das OLG Frankfurt trotz schwerwiegender Rechtsverletzung keine ausreichende Grundlage. Beide Parteien legten daraufhin Revision ein.
Meta: Keine Prüfpflicht für kerngleiche Inhalte?
Meta argumentiert, als Plattformbetreiber nicht verpflichtet zu sein, eigenständig Inhalte auf Kerngleichheit zu prüfen und automatisiert stay-down-Verpflichtungen umzusetzen. Für Abwandlungen, die sich minimal von der gemeldeten Version unterscheiden, sei dies technisch wie rechtlich nicht zumutbar; es bedürfe immer einer individuellen Information über die konkrete URL.
BGH lenkt den Fokus auf europäisches Recht: DSGVO & DSA
Der BGH hebt explizit hervor, dass die Entscheidung im Licht der Grundrechte (Persönlichkeitsrecht vs. Kommunikationsfreiheit), DSGVO (Art. 17 „Recht auf Löschung“, Art. 82 „Schadensersatz“) sowie den neuen Vorgaben des Digital Services Act (DSA) zu treffen ist. Das Verfahren hat damit richtungsweisende Bedeutung für die unionsweite Plattformhaftung, insbesondere die Prüf- und Löschpflichten bei rechtswidrigen Inhalten, die sich in zahllosen Varianten wiederholen können – und für die effektive Durchsetzung von Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen der Betroffenen
Einordnung und Ausblick
Schon jetzt zeigt sich: Für Persönlichkeitsrechtsverletzungen durch Falschzitate oder Deepfakes auf Plattformen könnten künftig umfassende Prüf- und Löschpflichten („Notice-and-Stay-down“) gelten – ein Paradigmenwechsel zu bisherigen Strukturen, in denen die Plattform nur auf konkret gemeldete Inhalte reagieren musste. Die Frage, wie weit diese Pflichten reichen und wie sie mit Machbarkeit und Meinungsfreiheit abgewogen werden müssen, ist nun Sache des EuGH.
Unsere Empfehlung
Ob Falschzitate, Deepfakes oder rufschädigende Memes: Eine fundierte Prüfung und konsequente Rechtsverfolgung von Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen ist entscheidend. Wir begleiten Betroffene durch die komplexen Meldewege nach DSA und setzen Ihre Rechte durch – auch über europäische Instanzen.
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