• Äußerungsrecht

Handlungsmöglichkeiten gegen pseudonyme negative Internetbeiträge

Der Bundesgerichtshof (BGH) entschied am 27.01.2022, dass in sozialen Netzwerken grundsätzlich keine Klarnamenpflicht besteht (Az. III ZR 3/21 und III ZR 4/21). Interessant ist in diesem Zusammenhang, was dieses Urteil nun für Portalbetreiber bedeutet.

von Carl Christian Müller

Wie Sie sich auch gegen Bewertungen von Fantasiefiguren wehren können

Facebook darf keine Klarnamenpflicht vorschreiben

Auf Facebook posten viele Nutzende unter Fantasienamen extreme Inhalte. Facebook hat solche Konten häufig gelöscht und sich dies in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) ausdrücklich vorbehalten. Der BGH erklärte die AGB-Klausel, die eine Klarnamenpflicht ausspricht, für rechtswidrig. So sei diese nicht mit dem Telemediengesetz (TMG) vereinbar, das ausdrücklich die Möglichkeit der pseudonymen Nutzung vorschreibt. Das TMG wurde am 01.12.2021 durch das Telekommunikation-Telemedien-Datenschutz-Gesetz (TTDSG) ersetzt, das ebenso Pseudonyme erlaubt. Obwohl die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) explizit dazu nichts regelt, gilt auch danach das Gebot der pseudonymen Nutzungsmöglichkeit. Es ist also weiterhin nicht notwendig, unter einem Klarnamen aufzutreten. Jedoch muss im Innenverhältnis, also alleinig dem Betreiber des sozialen Netzwerks gegenüber, der Klarname angegeben werden. Nach außen hin soll Nutzenden jedoch weiter eine anonyme Meinungsäußerung durch Pseudonym möglich sein.

 

Heißt das, gegen pseudonyme Postings kann ich mich nicht wehren?

Nicht nur auf Social Media, sondern auch auf gängigen Bewertungsportalen treten immer wieder Nutzende unter Pseudonymen auf und veröffentlichen Beiträge, die gegen die Rechte Dritter verstoßen. Dann ist der Netzwerkbetreiber als sogenannter „Störer“ verpflichtet, die Beiträge zu prüfen und auch die Urheber zu ermitteln. Damit die Unterlassungsansprüche im schlimmsten Fall gerichtlich geltend gemacht werden können, ist es wichtig, den Verfasser zu kennen. Ansprüche auf Unterlassung, Schadensersatz und Entfernung der Bewertung laufen also nicht ins Leere. Gerne sind wir Ihnen bei der Entfernung negativer Bewertungen auf den gängigen Portalen, wie etwa Google, Jameda, Kununu, Sanego oder Trustpilot behilflich.

 

Was genau müssen die Portale prüfen?

Der BGH hat in einem vergangenen Urteil (vom 25.10.2011, Az. VI ZR 93/10) die Pflichten der Betreiber festgelegt: Um weitere Informationen zum Verfasser herauszugeben zu können,  muss der Beanstandende den Sachverhalt hinreichend gegenüber der Plattform konkret schildern. Der Betreiber muss die Rechtsverletzung aufgrund der Beanstandung „unschwer bejahen“ können. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn auf einer Ärzteplattform eine negative Bewertung eingeht, die Praxis diese beanstandet und behauptet, es habe gar keinen solchen Patientenkontakt gegeben. Im Rahmen einer Interessenabwägung muss also berücksichtigt werden, dass der Dritte, dessen Rechte verletzt werden, keine andere Möglichkeit hat den Postverfasser ausfindig zu machen. Damit keine Schutzlücken entstehen, bestätigt der BGH diese Pflichten der Provider.

 

Politikerin werden Auskunftsansprüche wegen Facebook-Kommentare zugesprochen

Eine solche Pflicht hat am 02.02.2022 auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) bestätigt (Az. 1 BvR 1073/20). Die Politikerin Renate Künast verfolgt seit einiger Zeit 22 beleidigende Postings in einem Klageverfahren. Etwaige Auskunftsersuchen zur Identität der Post-Ersteller wurden durch die vorangehenden Gerichte teilweise abgelehnt. Das BVerfG sah darin eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Politikerin, das gegenüber der Meinungsfreiheit der Verfassenden überwiegt. Es liegt nun an den Fachgerichten, Künast die Auskunftsansprüche zu den Bestandsdaten gegenüber den übrigen Verfassenden zuzusprechen.

 

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