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Hass im Netz: Armin Wolf verklagt X

Hasspostings sind rechtlich oft eindeutig einzuordnen, ihre Verfolgung scheitert in der Praxis jedoch regelmäßig an der mangelnden Mitwirkung großer Plattformbetreiber. Ein aktueller Rechtsstreit des österreichischen ORF-Journalisten Armin Wolf mit der Plattform X zeigt, welche rechtlichen Ansatzpunkte bestehen, um trotz anonymer Accounts und internationaler Konzernstrukturen wirksam gegen digitale Rechtsverletzungen vorzugehen.

von Olivia Wykretowicz

Symbolbild zu Hasspostings auf der Plattform X und den rechtlichen Herausforderungen bei der Durchsetzung von Persönlichkeitsrechten nach dem DSA.

Ein Journalist gegen einen Tech-Konzern

Armin Wolf war über viele Jahre einer der reichweitenstärksten Nutzer von X in Österreich. Anlass für sein juristisches Vorgehen waren massiv beleidigende und rufschädigende Postings eines anonymen Accounts, der ihn unter anderem als „korrupten Lügner“ diffamierte. Nach österreichischem Straf- und Zivilrecht handelt es sich hierbei um Äußerungen, die grundsätzlich gerichtlich verfolgt werden können.

Wolf meldete die Inhalte zunächst über die vorgesehenen Beschwerdewege der Plattform. Nachdem X keinen Richtlinienverstoß sah, wurde über das Straflandesgericht Wien die Herausgabe der Nutzerdaten von der irischen Europazentrale des Unternehmens verlangt. X verweigerte dies und verwies auf internationale Rechtshilfeverfahren.

Rechtlicher Hintergrund: Plattformprivileg und Durchsetzung

Der Fall berührt das sogenannte Plattformprivileg: Plattformen haften für fremde Inhalte grundsätzlich erst ab Kenntnis eines Rechtsverstoßes. Dieses Modell ist im europäischen Recht verankert und wurde durch den Digital Services Act (DSA) weiterentwickelt, der Plattformen zusätzliche Pflichten auferlegt, etwa zu Transparenz, Beschwerdeverfahren und dem Umgang mit rechtswidrigen Inhalten. Praktisch zeigt sich hier jedoch, dass anonyme Accounts, grenzüberschreitende Datenhaltung und komplexe Zuständigkeitsfragen (Irland als Sitz vieler EU-Zentralen großer Tech-Unternehmen, Datenspeicherung in den USA) die Rechtsdurchsetzung erheblich erschweren.

Nachdem sowohl in Irland als auch in den USA Rechtshilfeersuchen letztlich ins Leere liefen, blieb Wolf der Zugang zu den Identitätsdaten des Nutzerkontos verwehrt. Dies verdeutlicht, wie stark nationale Strafverfolgung und zivilrechtlicher Rechtsschutz von der Kooperation ausländischer Behörden und Plattformbetreiber abhängen und wie lückenhaft der Schutz Betroffener trotz eines formal dichten Normgefüges sein kann.

Neuer Ansatz: Strafrechtliche Verantwortung von Plattformmitarbeitern

Um nicht am anonymen Täter bzw. an der Blockadehaltung des Unternehmens zu scheitern, verfolgt Wolf gemeinsam mit der Wiener Medienanwältin Maria Windhager einen innovativen Ansatz: Im Fokus stehen nun nicht mehr nur der anonyme Nutzer und das Unternehmen als solches, sondern namentlich unbekannte Mitarbeiter von X, denen „Begünstigung“ bzw. eine strafrechtlich relevante Vereitelung der Strafverfolgung vorgeworfen wird.

Die Argumentation: Wer trotz eindeutiger Hinweise auf strafbare Inhalte und gerichtlicher Anfragen keine Daten herausgibt und damit effektiv verhindert, dass der anonyme Nutzer identifiziert werden kann, schützt diesen vor Strafverfolgung. Ein solches Verhalten kann strafrechtlich relevant sein und unterliegt als Offizialdelikt zwingend der Verfolgung durch die Staatsanwaltschaft. Ein ähnliches Ermittlungsverfahren gegen Verantwortliche von X läuft derzeit auch in Deutschland, etwa bei der Staatsanwaltschaft Göttingen.

Der Fall zeigt damit, dass Rechtsdurchsetzung gegenüber Plattformen nicht aussichtslos, sondern vor allem eine Frage der richtigen juristischen Ansatzpunkte ist.

Diskutiert werden inzwischen strengere Auskunftspflichten, effektivere europäische Durchsetzungsmechanismen, eine intensivere Aufsicht über in Irland angesiedelte Europazentralen sowie – rechtspolitisch umstritten – eine mögliche Neujustierung des Plattformprivilegs.

Für Betroffene von Hassrede, Verleumdung oder digitalen Angriffen zeigt der Fall zugleich, dass erfolgreiche Rechtsdurchsetzung weniger von Reichweite oder Prominenz abhängt als von einer konsequenten und strategischen rechtlichen Begleitung. Ohne rechtliche Unterstützung verlaufen Meldungen und Beschwerden häufig im Sande. Wer die Besonderheiten des Plattformrechts und des Digital Services Act gezielt nutzt, kann auch gegenüber großen Anbietern konkrete Handlungsoptionen eröffnen und Ansprüche wirksam verfolgen.

Unsere Unterstützung

Wir beraten und vertreten Betroffene, Unternehmen, Gewerkschaften und Behörden im Umgang mit rechtswidrigen Inhalten auf Social-Media-Plattformen. Dazu gehören die rechtliche Einordnung von Hasspostings, die Durchsetzung von Lösch- und Auskunftsansprüchen, die strategische Nutzung der DSA-Verfahren sowie – wenn erforderlich – die Entwicklung weitergehender zivil- oder strafrechtlicher Schritte. Unsere Erfahrung im Plattform- und Medienrecht ermöglicht es, auch gegenüber großen Anbietern strukturiert und wirkungsvoll vorzugehen.

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