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Historischer Zettel, aktueller Streit: OVG Münster befasst sich mit Auskunftsanspruch zum Schabowski-Zettel

Vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen in Münster wird am kommenden Dienstag (16. Dezember) über die Berufung im Streit um den sogenannten „Schabowski-Zettel“ verhandelt, das handbeschriebene Blatt, das 1989 durch Günter Schabowskis berühmten Satz den Fall der Berliner Mauer auslöste.

von Olivia Wykretowicz

Berliner Mauer 1961-1989

Ein Stück Weltgeschichte wird zum Prüfstein des Presserechts: Ein Journalist will erfahren, wer den sogenannten Schabowski-Zettel an das Haus der Geschichte verkauft hat. Die Stiftung aber schweigt und beruft sich auf zugesicherte Diskretion gegenüber den Verkäufern. Nun steht das Verhältnis von Transparenz und Vertraulichkeit im Fokus des Gerichts.

Vom Symbol der Wiedervereinigung zum Rechtsstreit

Der „Schabowski-Zettel“ gehört zu den berühmtesten Dokumenten der deutschen Zeitgeschichte. Auf die Frage nach den neuen DDR-Reiseregelungen hatte Günter Schabowski am 9. November 1989 seine Notizen konsultiert und – offenbar unvorbereitet – gesagt, die Regelung gelte „sofort, unverzüglich“. Wenige Stunden später fiel die Berliner Mauer.

Über 25 Jahre später kehrte das Dokument zurück in die Öffentlichkeit: 2015 erwarb das Haus der Geschichte in Bonn das Original für rund 25.000 Euro, finanziert aus öffentlichen Mitteln. Doch die Herkunft blieb umstritten. Laut Angehörigen Schabowskis war der Zettel nie freiwillig abgegeben worden, sondern „kaltblütig verkauft“. Das Museum hingegen betont, der Erwerb sei rechtmäßig erfolgt.

Streit um Transparenz: Wer verkaufte das Dokument?

Ein Chefreporter der BILD-Zeitung will nun genau wissen, wer die Verkäufer waren. Seine Begründung: Wer mit Steuergeldern ein historisches Objekt erwirbt, muss auch offenlegen, auf welchem Weg es in den Bestand gelangt ist. Er beruft sich dazu auf den presserechtlichen Auskunftsanspruch, der Journalistinnen und Journalisten das Recht gibt, Informationen von öffentlichem Interesse zu erhalten.

Das Haus der Geschichte verweigert die Nennung der Namen. Nach Darstellung der Stiftung sei dem Zweitverkäufer ausdrücklich Anonymität zugesichert worden. Ohne solche Vertraulichkeit sei der Ankauf historischer Objekte künftig gefährdet.

Erster Spruch zugunsten der Pressefreiheit

Bereits 2022 hatte das Verwaltungsgericht (VG) Köln entschieden, dass das Museum die Namen der Verkäufer nennen müsse. Die Richter sahen ein überwiegendes öffentliches Interesse an Transparenz, da es sich um einen Ankauf mit staatlichen Mitteln handelte. Interne Zusagen privater Anonymität könnten diesen Anspruch nicht aufheben.

Das Museum akzeptierte das Urteil nicht und beantragte die Zulassung der Berufung. Jetzt wird das OVG Münster über die Sache entscheiden. Das Urteil dürfte grundsätzliche Fragen klären: Wie weit reicht das Recht der Presse auf Informationen, wenn Institutionen auf Vertrauen und Vertraulichkeit angewiesen sind?

Bedeutung über den Einzelfall hinaus

Immer wieder stehen Journalistinnen und Journalisten vor ähnlichen Hürden, wenn Behörden oder öffentliche Einrichtungen sich auf Datenschutz oder Geheimhaltung berufen. Das Verfahren zeigt exemplarisch, wie schnell der Zugang zu Informationen mit vermeintlich legitimen Rücksichten kollidieren kann und wie wichtig eine rechtliche Klärung dieser Grenzen ist.

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Transparenz braucht Durchsetzungskraft. Ob Behörden, Justizverwaltungen oder öffentlich-rechtliche Institutionen, Informationsansprüche werden häufig vorschnell abgelehnt oder verschleppt.

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