Mit Urteil vom 14.7.2014, welches jetzt mit Urteilsgründen vorliegt, hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) die Klage eines früheren Finanzbeamten abgewiesen, der vom Land Hessen als seinem Dienstherrn eine Geldentschädigung von 20.000 € verlangt hatte, weil der damalige Pressesprecher des Finanzministeriums persönliche Daten über seinen Gesundheitszustand an die Presse gegeben hatte.
Oberlandesgericht Frankfurt am Main weist Klage eines früheren Finanzbeamten gegen Land Hessen auf Geldentschädigung wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ab
von Carl Christian Müller
Hintergrund der Sache ist die in den Medien so genannte „Steuerfahnderaffäre“. Im Rahmen dieser Geschehnisse haben sich der Kläger und andere als Steuerfahnder tätige Beamte im Jahr 2001 gegen eine „Amtsverfügung“ ihres Dienstherren im Hinblick auf zu verfolgende Hinterziehungsfälle gewandt. Der Kläger war danach eine Zeitlang dienstunfähig krank geschrieben und wurde zur Frage seiner Dienstfähigkeit durch einen Gutachter untersucht. Dieser Gutachter attestierte eine psychische Erkrankung. Der Kläger wurde daraufhin gegen seinen Willen 2006 in den Ruhestand versetzt. Kurze Zeit danach unterzog sich der Kläger einer erneuten psychiatrischen Untersuchung, weil er als Steuerberater zugelassen werden wollte. In diesem Gutachten wurde dem Kläger volle psychische Gesundheit bestätigt. Der Kläger ist seit 2007 als selbstständiger Steuerberater tätig.
Im Jahr 2008 erschienen in mehreren Printmedien Berichte über die sogenannte „Steuerfahnderaffäre“. Für beide Artikel - einer mit einem ganzseitigen Bild des Klägers - stellte dieser auf Anfrage der Journalisten den Sachverhalt aus seiner Sicht dar.
Aus Anlass der Verleihung des „Whistleblower-Preises“ durch namhafte Persönlichkeiten und eine Juristenvereinigung an den Kläger und einen seiner ehemaligen Kollegen im Jahr 2009 wandte sich des Redakteur eines Wirtschaftsblattes an den damaligen Pressesprecher des Finanzministeriums und bat um Stellungnahme dazu, was das Finanzministerium zu der Preisverleihung sage.
Der Kläger behauptet, der Pressesprecher habe dem Wirtschaftsblatt in einem Telefonat gesagt, der Kläger leide an „Verfolgungswahn“. Der Pressesprecher räumte ein, jedenfalls gesagt zu haben, dass der Kläger psychische Probleme habe. Nach dem Telefonat schickte der Pressesprecher eine E-Mail an den Redakteur des Wirtschaftsblattes, wonach das geführte Telefonat „reiner Hintergrund“ gewesen sei.
In dem sodann Mitte 2009 erschienenen Artikel in dem Wirtschaftsblatt wird geschildert, was der vorzeitigen Pensionierung des Klägers vorangegangen sein soll. Darin wird auch die angebliche Äußerung des Pressesprechers des Finanzministeriums zur psychischen Verfassung des Klägers erwähnt.
Der Kläger sieht sein allgemeines Persönlichkeitsrecht durch die Bemerkung über den „Verfolgungswahn“, aber auch durch die Preisgabe einer angeblichen psychischen Erkrankung als schwerwiegend verletzt an und fordert hierfür als Ausgleich eine Geldentschädigung. Das Finanzministerium hält dem entgegen, der Pressesprecher habe die behauptete Äußerung über den „Verfolgungswahn“ nicht getätigt, sondern der Redakteur des Wirtschaftsblattes habe einen solchen Begriff aus den vorangehenden Presseartikeln herausgelesen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers. Am 14.7.2014 wies das OLG die Berufung zurück und bestätigte damit im Ergebnis das erstinstanzliche Urteil. In der jetzt vorliegenden Urteilsbegründung führt das OLG aus:
Dem Kläger stehe der geltend gemachte Anspruch auf Geldentschädigung wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nicht zu. Es könne dahingestellt bleiben, ob der Pressesprecher die beanstandete Äußerung über den „Verfolgungswahn“ gemacht habe oder nicht. Selbst wenn man zugunsten des Klägers unterstelle, dass eine solche Äußerung gefallen sei, fehle es jedenfalls an den besonderen Voraussetzungen, unter denen eine Geldentschädigung zum Ausgleich einer Persönlichkeitsrechtsverletzung beansprucht werden könne.
Zwar stelle die angebliche Äußerung über den „Verfolgungswahn“ einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers dar, da sie die Privat- und Intimsphäre des Klägers verletze. Dies gelte auch für die vom Pressesprecher zugestandene Information, der Kläger leide an psychischen Problemen. Auch wenn der Pressesprecher darauf hingewiesen habe, dass die Angaben vertraulich seien und bloße Hintergrundinformationen darstellten, lasse ein solcher Hinweis die Verletzungshandlung nicht entfallen. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht liege schon in der Information der Presse selbst, wenn diese zu einer die Privatsphäre verletzenden Berichterstattung führe. Es sei aber in der Rechtsprechung anerkannt, dass eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einen Anspruch auf eine Geldentschädigung nur dann begründe, wenn es sich um einen schwerwiegenden Eingriff handele und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend ausgeglichen werden könne. Ob eine solche schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorliege, hänge von einer Gesamtwürdigung aller Umstände ab. Danach lägen die Voraussetzungen für die Gewährung einer Geldentschädigung hier nicht vor, denn eine solche schwerwiegende Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers könne hier unter zwei Gesichtspunkten nicht festgestellt werden.
Zum einen seien die angeblichen Äußerungen zunächst auf das Gespräch mit dem Redakteur des Wirtschaftsblattes beschränkt geblieben. Sodann sei die vom Kläger behauptete Äußerung in einem Gesamtzusammenhang veröffentlicht worden, der sich für den Kläger in keiner Weise nachteilig ausgewirkt habe. Der Kläger werde in dem Artikel durchweg positiv dargestellt und sein beruflicher Einsatz hervorgehoben. Dagegen werde die angebliche Äußerung des Finanzministeriums über den „Verfolgungswahn“ als „abfällig“ gewertet. Insgesamt lasse der Artikel erkennen, dass der in der Stellungnahme des Finanzministeriums genannte „Verfolgungswahn“ nicht zutreffen könne, zumal der Leser in dem Artikel erfahre, dass eine dem Kläger auf Veranlassung der Behörde gestellte Diagnose einer Berufsunfähigkeit „falsch“ war.
Zum anderen sei - so das OLG weiter - eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Privatsphäre durch die angebliche Äußerung des Pressesprechers auch deshalb zu verneinen, weil der Kläger zuvor für die beiden vorangegangenen Presseartikel seine Privatsphäre nach außen geöffnet und bestimmte gewöhnlich als privat geltende Angelegenheiten der Öffentlichkeit preisgegeben habe. Er könne sich dann nicht gleichzeitig auf den Schutz seiner Privatsphäre berufen. Der Kläger habe die öffentliche Berichterstattung nicht nur geduldet und gebilligt, sondern auch aktiv gefördert, indem er Journalisten auf deren Nachfrage den Sachverhalt aus seiner Sicht geschildert und sie so mit Stellungnahmen und Informationen versorgt habe. Insbesondere habe er die für ihn günstige Diagnose des nachfolgenden Gutachtens an die Presse gegeben. Auf diese Weise habe der Kläger selbst den geschützten Bereich seines psychischen Gesundheitszustandes einer interessierten Öffentlichkeit geöffnet und sich mit Fotos in den Mittelpunkt der Medienberichterstattung hierüber gestellt. Er habe sich dadurch einverstanden gezeigt, dass dieser Bereich seines Persönlichkeitsrechts nicht nur öffentlich gemacht wurde, sondern auch Thema in der öffentlichen Diskussion geblieben sei.
Die Entscheidung ist rechtskräftig. Das OLG hat die Revision nicht zugelassen.
OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 14.7.2014, Aktenzeichen 1 U 156/12
(vorausgehend LG Wiesbaden, Urteil vom 10.5.2012, 9 O 395/11)
Quelle: Pressemitteilung Oberlandesgericht Frankfurt am Main vom 23.07.14