Der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln hat mit Urteil vom 1. August 2014 die Berufung des Journalisten Dr. Heribert Schwan gegen ein Urteil des Landgerichts Köln, durch das er zur Herausgabe von Tonbändern an Dr. Helmut Kohl verurteilt worden ist, zurückgewiesen.
OLG Köln: Journalist muss Tonbänder der Interviews mit Bundeskanzler a.D. Dr. Helmut Kohl herausgeben
von Carl Christian Müller
Der Beklagte sollte als „Ghostwriter“ die Biographie des Klägers, des
ehemaligen Bundeskanzlers Dr. Helmut Kohl verfassen. Zu diesem
Zweck führte er umfangreiche Gespräche mit dem Kläger, die auf Tonband
aufgezeichnet wurden. Nachdem der Kläger die Zusammenarbeit
mit dem Beklagten beendet hatte, verlangt er die Herausgabe der besprochenen
Tonbänder. Das Landgericht Köln hat der Klage stattgegeben
und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, nach Beendigung
des Auftragsverhältnisses über die Aufzeichnung der Lebenserinnerungen
des Klägers sei der Beklagte verpflichtet, alles, was er zur Ausführung
des Auftrages erhalten und erlangt habe, an den Kläger herauszugeben.
Dazu gehörten auch die Tonbänder. Nach diesem Urteil hat der
Beklagte zur Vermeidung der Zwangsvollstreckung 200 Tonbänder an
den Gerichtsvollzieher herausgegeben.
Die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen.
Dabei hat es offengelassen, ob die Begründung des Landgerichts
zutreffe. Zwar spreche viel dafür, dass aus dem Vertragswerk ein
Herausgabeanspruch folge; es wäre allerdings zu prüfen, ob ein solcher
Anspruch unmittelbar dem Kläger oder nicht zunächst dem Verlag als
dem direkten Vertragspartner des Beklagten zustünde.
Der Kläger habe jedoch einen Anspruch auf Herausgabe der Tonbänder,
weil er durch die Aufzeichnung seiner Stimme Eigentum an den
Tonbändern erlangt habe. Nach § 950 BGB erwerbe derjenige, der
durch Verarbeitung eine neue bewegliche Sache herstelle, das Eigentum
daran, sofern nicht der Wert der Verarbeitung erheblich geringer sei
als der Wert des verarbeiteten Stoffes. Als Verarbeitung gelte dabei u.a.
auch das Schreiben oder Malen. Dem seien die Tonbandaufnahmen
vergleichbar. Nach der maßgeblichen Verkehrsauffassung werde jedenfalls
dann eine „neue Sache“ hergestellt, wenn die Aufzeichnungen für
eine längerfristige Nutzung bestimmt seien.
Als Hersteller der Tonbandaufzeichnungen sei der Kläger anzusehen. Seite 2 von 2
Maßgeblich für die Bestimmung der Person des Herstellers sei, in wessen
Namen und wirtschaftlichem Interesse die Herstellung erfolgt sei.
Dies sei der Kläger, da die Tonbandaufzeichnungen nach den in der
Berufungsinstanz nicht beanstandeten Feststellungen des Landgerichts
allein als Materialsammlung für die Vorbereitung des Manuskripts seiner
Memoiren gedient hätten. Aus dem zwischen den Parteien und dem
Verlag geschlossenen Vertragswerk folge, dass die Entscheidungsbefugnis
über den Inhalt der Aufzeichnungen und ihre Verwendung letztlich
allein beim Kläger liegen sollte. Die Situation sei daher nicht mit einem
Interview vergleichbar, das ein Journalist zum Zwecke der Berichterstattung
zu einem tagesaktuellen Geschehen führe. Auch die vertraglichen
Vereinbarungen zu den Urheberrechten, nach denen diese so
weit wie möglich dem Kläger zugeordnet werden sollten, sowie das jederzeitige
Kündigungsrecht des Klägers sprächen dafür, diesen als Hersteller
der Tonbänder anzusehen.
Ein Recht zum Besitz stehe dem Beklagten nicht zu. Insbesondere könne
er sich nicht auf eine – angebliche – Zusage des Klägers, er dürfe
die Tonbänder nach dem Tod des Klägers veröffentlichen, berufen. Sollte
es seine solche Zusage gegeben haben, wäre ihr mit der vorzeitigen
Beendigung der Zusammenarbeit der Parteien die Grundlage entzogen
worden. Der Kläger sei berechtigt gewesen, jederzeit und ohne Angaben
von Gründen die Zusammenarbeit mit dem Beklagten zu beenden.
Dies zeige, dass Grundlage der Zusammenarbeit allein das Vertrauensverhältnis
zwischen dem Kläger und dem Beklagten gewesen sei. Sei
das Vertrauen des Klägers in den Beklagten entfallen, sei auch die
Grundlage für eine etwaige Zusage entfallen. Diese habe daher dem
Beklagten keine über die seinerzeit geschlossenen Verträge hinausgehenden
Rechte verschaffen können.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig; der Senat hat die Revision zum Bundesgerichtshof
zugelassen.
Aktenzeichen: 6 U 20/14 – OLG Köln
Quelle: Pressemitteilung Oberlandesgericht Köln vom 01.08.14