Ein Online-Angebot, über das Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen (AU) per Ferndiagnose ausgestellt und anschließend per WhatsApp an den Patienten versendet werden, ist wettbewerbswidrig. Das hat das Landgericht (LG) Hamburg mit Urteil vom 03.09.2019 entschieden. Es sei mit der ärztlichen Sorgfaltsverpflichtung nicht vereinbar, wenn der behandelnde Arzt auf den persönlichen Kontakt mit dem Patienten verzichte, so die Hamburger Richter in der Urteilsbegründung (LG Hamburg, Urt. v. 03.09.2019 - 406 HK O 56/19).
- Arbeitsrecht
- Wettbewerbsrecht
Online-Angebot für AU per WhatsApp unzulässig
von Carl Christian Müller
LG Hamburg: Arbeitsunfähigkeitbescheinigung dürfen nicht per Ferndiagnose ausgestellt werden
Angebot nach der geänderten Musterberufsordnung für Ärzte zulässig?
Die Beklagte betreibt ein Online-Angebot, über das sich Nutzer über einen Arzt via Ferndiagnose ihre Arbeitsunfähigkeit testieren lassen können. Im Rahmen der Untersuchung müssen die Nutzer online verschiedene Fragen beantworten. Die zur Vorlage beim Arbeitgeber erforderliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erhalten die Nutzer im Anschluss per WhatsApp.
Hiergegen ging die Klägerin vor. Sie meint, das Angebot sei rechtswidrig, weil das Arzt-Patient-Verhältnis eine persönliche Beurteilung vor Ort voraussetze. Eine Behandlung per Ferndiagnose sei nicht zulässig.
Die Beklagte berief sich dagegen auf den zwischenzeitlich geänderten § 7 Abs. 4 der Musterberufsordnung der Ärzte.
§ 7 MBO-Ärzte: Behandlungsgrundsätze und Verhaltensregeln
(4) Ärztinnen und Ärzte beraten und behandeln Patientinnen und Patienten im persönlichen Kontakt. Sie können dabei Kommunikationsmedien unterstützend einsetzen. Eine ausschließliche Beratung oder Behandlung über Kommunikationsmedien ist im Einzelfall erlaubt, wenn dies ärztlich vertretbar ist und die erforderliche ärztliche Sorgfalt insbesondere durch die Art und Weise der Befunderhebung, Beratung, Behandlung sowie Dokumentation gewahrt wird und die Patientin oder der Patient auch über die Besonderheiten der ausschließlichen Beratung und Behandlung über Kommunikationsmedien aufgeklärt wird.
LG Hamburg: Verstoß gegen medizinische Sorgfaltspflicht
Dieser Argumentation wollte das Landgericht Hamburg nicht folgen. Nach Auffassung der Hamburger Richter liegt vielmehr ein Verstoß gegen die ärztliche Sorgfalt vor. Damit sei es nicht zu vereinbaren, dass regelmäßig über den Einzelfall hinausgehend Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ohne persönlichen Kontakt zum Patienten ausgestellt würden, so das Gericht. Vielmehr gebiete die medizinische Sorgfalt grundsätzlich einen unmittelbaren Kontakt zwischen Patient und Arzt, der sich nur durch hierdurch einen Eindruck vom Gesundheitszustand seines Patienten machen könne.
Dies gewährleiste die Online-Befragung der Beklagten gerade nicht, da die Diagnose im Regelfall ausschließlich auf den von den Nutzern gemachten Angaben beruhe. Zudem sei über das Verfahren keine zuverlässige Identitätsfeststellung möglich, auch wenn der Arzt im Einzelfall über ein Video-Chat Rückfragen stellen könne.
Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig.