Das Verwaltungsgericht (VG) Hannover hat mit Beschluss vom 02.10.2020 dem Eilantrag eines Pflichtmitglieds der Pflegekammer Niedersachsen auf Entfernung einer Pressemitteilung von deren Homepage stattgegeben (Az. 7 B 4667/20). Hintergrund des Verfahrens ist eine Befragung vom Sommer 2020, in der sich die Mehrheit der Teilnehmenden für eine Auflösung der Pflegekammer Niedersachsen aussprachen. Daraufhin kündigte die niedersächsische Sozialministerin, Carola Reimann (SPD), an ein entsprechendes Gesetz zur Abwicklung der Kammer vorlegen zu wollen. Die Pflegekammer Niedersachsen reagierte mit der Veröffentlichung der streitgegenständlichen Pressemitteilung, in der sie unter anderem die geringe Teilnehmerzahl der Befragung kritisierte. Das klagende Pflichtmitglied merkte vor dem VG Hannover an, die Pressemitteilung sei nicht repräsentativ für die Ansichten der Mitglieder.
- Medienrecht
- Äußerungsrecht
Pflegekammer Niedersachsen muss Pressemitteilung von ihrer Homepage entfernen
von Carl Christian Müller
Pflichtmitglied sieht sich von der Pressemitteilung nicht repräsentiert
Mitglieder stimmen für Auflösung der Pflegekammer
Auf Grund anhaltender Proteste gegen die Einrichtung der Pflegekammer hatte die niedersächsische Landesregierung entschieden, die Mitglieder zu deren Fortbestand zu befragen. Die vom Niedersächsischen Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung organisierte Befragung fand in der Zeit vom 29.07. bis zum 06.09.2020 statt. Von den rund 78.000 befragten Mitgliedern der Kammer nahmen etwa 15.100 Personen an der Befragung teil. Nach Angaben des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung sprachen sich dabei 70,6 % der Antwortenden gegen den Fortbestand der Kammer aus, 22,6 % stimmten für einen Fortbestand, 6,8 % der Antwortenden enthielten sich. Die niedersächsische Sozialministerin, Carola Reimann, erklärte anschließend öffentlich, dass sie sich an das Ergebnis der Befragung gebunden sehe und einen Gesetzentwurf zur Auflösung der Pflegekammer Niedersachsen vorlegen werde.
Pressemitteilung vertritt Ansichten der Mitglieder nicht ausgewogen
Auf diese Ankündigung reagierte die Pflegekammer mit der streitbefangenen Pressemitteilung mit der Überschrift „Pflege darf nicht auf stumm geschaltet werden“, die sie am 07.09.2020 auf ihrer Homepage veröffentlicht hat und die seitdem dort einsehbar ist. Sie befürwortet darin den Fortbestand der Pflegekammer Niedersachsen und stellt unter anderem die Aussagekraft der Befragung infolge der geringen Beteiligung in Frage. Am 09.09.2020 hat die Antragstellerin, ein Pflichtmitglied der Pflegekammer, bei dem VG Hannover den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel beantragt, der Pflegekammer als Antragsgegnerin aufzugeben, die Pressemitteilung zu löschen. Die 7. Kammer des Gerichts hat dem Antrag mit Beschluss vom 02.10.2020 stattgegeben. Zur Begründung führt das VG Hannover in dem Beschluss unter anderem aus, dass es in der streitbefangenen Pressemitteilung an einer ausgewogenen Darstellung der vertretenen Auffassungen aller Mitglieder fehle und sie das im Einzelfall erforderliche Maß an Objektivität an zwei Stellen vermissen lasse. Eine Darstellung der Argumente der Gegner der Pflegekammer Niedersachsen fehle völlig. Außerdem werde durch die Überschrift der Pressemitteilung sowie die Formulierung, dass eine Bewertung der Arbeit der Pflegekammer Niedersachsen aufgrund der Ergebnisse der Online-Befragung „jeder Grundlage“ entbehre, die Grenze der zulässigen Äußerung überschritten. Öffentlich-rechtliche Körperschaften, für die - wie bei der Pflegekammer Niedersachsen - eine Pflichtzugehörigkeit ihrer Mitglieder vorgesehen sei, müssten nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in besonderer Weise darauf achten, dass ihre Äußerungen alle unter den Mitgliedern vorkommenden Ansichten repräsentieren.
Gegen den Beschluss kann innerhalb von zwei Wochen Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht in Lüneburg eingelegt werden.
Quelle: Pressemitteilung des VG Hannover vom 24. September 2020