Für Furore bei Künstlern und Kunsthändlern sorgte ein bis dato unveröffentlichter Entwurf zur Novellierung des Kulturgutschutzgesetzes (KultgSchG). Nun liegt erstmals ein öffentlicher Referentenentwurf der Kulturstaatsministerin auf dem Tisch. Dabei wird bestätigt, was sich bereits abgezeichnet hat: Künftig soll es auch innerhalb Europas Ausfuhrgenehmigungen für Werke geben, jedoch nur innerhalb der heraufgeschraubten Wert- und Altersgrenzen.
Referentenentwurf zum Kulturgutschutzgesetz veröffentlicht
von Carl Christian Müller
Ziel des Gesetzes ist zum einen die Verhinderung der illegalen Einführung von Kunstwerken aus Raubgrabungen. Dies sei angesichts der barbarischen Zerstörung des kulturellen Erbes der Menschheit im Nahen Osten und in vielen anderen Krisen- und Bürgerkriegsgebieten ein längst überfälliges Gebot der Ethik und Moral, so Grütters in einer begleitenden Pressemitteilung vom 15.09.2015. Zum anderen solle auch das nationale Kulturerbe besser geschützt werden.
Wesentliche Änderungen
Grütters betont, dass die Festlegung von herausragendem Kulturgut schon seit 1955 geltendes und höchstrichterlich bestätigtes Recht in Deutschland sei. Neu sei lediglich, dass Werke lebender Künstler als national wertvoll eingetragen werden dürften, sofern der Künstler hierzu seine Zustimmung erteile. Zeitgenössische Künstler wie Baselitz, der seine Bilder bereits hatte abhängen lassen, könnten so mit einem Veto ausgestattet werden. Letztlich gehe es aber um sehr wenige einzigartige und für die kulturelle Selbstvergewisserung und Identität der deutschen Kulturnation wesentliche Werke, die als national wertvoll einzuordnen seien – also um einen verschwindend kleinen Teil des gesamten Kunst- und Kulturerbes in Deutschland, so Grütters weiter.
Eine Einstufung als Kulturgut soll – wie bisher – durch ein Sachverständigengremium unter Beteiligung u.a. von Sammlern, Vertretern der Wissenschaft, des Kunsthandels und der Museen erfolgen. Jedoch soll es nun erstmals eine gesetzliche Definition darüber geben, was als „national wertvoll“ gelten kann. Nach Mitteilung der Kulturstaatsministerin sollen die Voraussetzungen für ein Verfahren mit der Novelle aber in keiner Weise verschärft, sondern nur präzisiert werden.
Neue Ausfuhrgenehmigung mit heraufgesetzter Alters- und Wertgrenze
Zudem soll es künftig Regelungen zum Abwanderungsschutz innerhalb Europas geben. Neu eingeführt wird deshalb eine Genehmigungspraxis für die Ausfuhr von besonders hochwertigen älteren Kulturgütern sowie archäologischen Gegenständen in andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Bereits seit 1993 ist nach EU-Recht eine Ausfuhrgenehmigung erforderlich, wenn entsprechende Kulturgüter ins außereuropäische Ausland, also etwa in die wichtigen Kunsthandelsländer Schweiz oder USA ausgeführt werden sollen. Künftig muss – wie in fast allen anderen EU-Staaten – eine Ausfuhrgenehmigung auch dann beantragt werden, wenn Kunstwerke ins europäische Ausland, etwa nach London gehen sollen. Allerdings sollen in Deutschland die Alters- und Wertgrenzen heraufgesetzt werden, nämlich auf 70 Jahre und 300.000 Euro.
Für die Ausfuhrgenehmigungen sind auch weiterhin die Länder zuständig. Diese sollen kurzfristig erteilt werden, sofern kein Hinweis auf national wertvolles Kulturgut gegeben ist oder ein Verdacht auf illegal gehandeltes Kulturgut besteht. Für den Leihverkehr von öffentlichen wie privaten Museen sind zur Verfahrensvereinfachung künftig einmalige, pauschal erteilte Ausfuhrgenehmigungen vorgesehen.
Die zeitgenössische Kunst ist davon nicht betroffen. Auch bedarf es keiner Ausfuhrgenehmigung, wenn ein lebender Künstler seine ihm gehörenden Werke ins Ausland bringt. Damit hält Grütters an ihrem Vorhaben fest, den nationalen Kunstmarkt verstärkt schützen zu wollen, zeigt aber auch – nach einem monatelangem Gesprächsmarathon mit Künstlern, Galeristen und Verbänden ihre Kompromissbereitschaft in Bezug auf die Alters- und Wertgrenzen.
Ausblick
Zeitgleich mit der Veröffentlichung des Entwurfs wird nun die zweite Runde der Ressortabstimmung eingeleitet. Zudem erhalten Länder, kommunale Spitzenverbände, Fachkreise und Verbände ebenfalls die Möglichkeit, Stellungnahmen zu dem Referentenentwurf abzugeben. Im Anschluss daran sind die Befassung und Verabschiedung im Kabinett vorgesehen. Abhängig von dem darauf folgenden parlamentarischen Verfahren soll das Gesetz 2016 in Kraft treten.