Ein mutmaßliches Betrugsnetzwerk soll das Berliner Finanzamt um Millionen geschädigt haben. Während die Behörden schweigen, beleuchtet der Tagesspiegel neue Details. Unser Partner Carl Christian Müller erklärt, warum das Steuergeheimnis in solchen Fällen Grenzen hat.
Tagesspiegel berichtet über mutmaßlichen Millionenbetrug im Berliner Finanzamt – Einschätzung von Carl Christian Müller
von Olivia Wykretowicz
Ein aktueller Bericht des Tagesspiegels wirft ein Schlaglicht auf einen ungewöhnlich brisanten Verdachtsfall: Ein Berliner Finanzbeamter soll gemeinsam mit einem Netzwerk von Hintermännern über Jahre hinweg unberechtigte Steuerrückerstattungen veranlasst haben. Nach Recherchen der Zeitung könnten so bis April 2024 rund 15,6 Millionen Euro an angebliche Scheinfirmen ausgezahlt worden sein.
Der Finanzbeamte soll insbesondere Firmen mit bestimmten Anfangsbuchstaben betreut haben und eigenständig Auszahlungen bis zu 50.000 Euro freigegeben haben. Auffällig: In vielen Fällen seien keine Belege angefordert, keine Außenprüfungen angeregt und immer wieder gleiche Vermerke zu angeblichen coronabedingten Vorsteuerüberschüssen hinterlegt worden. Bei einer Durchsuchung fanden Ermittler zudem 64.500 Euro in bar in einem Schließfach des Beschuldigten.
Trotz der Brisanz des Falls halten sich die Berliner Behörden seit 2022 weitgehend bedeckt. Sie berufen sich auf das Steuergeheimnis – selbst grundlegende Angaben zu Beschuldigten oder dem Stand des Verfahrens werden nicht bestätigt.
Einordnung durch unseren Partner Carl Christian Müller
Unser Partner, Carl Christian Müller, Fachanwalt für Medienrecht, kommt im Tagesspiegel zu Wort und ordnet die Rechtslage ein. Er stellt klar, dass das Steuergeheimnis dort seine Grenzen hat, wo die Funktionsfähigkeit und das Vertrauen in die Finanzverwaltung selbst betroffen sind:
„Das Steuergeheimnis endet dort, wo das Vertrauen in die Finanzverwaltung selbst erschüttert ist.“
Damit hebt er hervor, dass Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit nicht nur zulässig, sondern erforderlich sein kann, insbesondere, wenn Behördenvorgänge den Kernbereich staatlicher Aufgaben betreffen und potenziell Millionen an Steuergeldern betroffen sind.
Die zentralen Rechtsfragen hinter dem Fall
Der Fall zeigt exemplarisch:
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Wie weitreichend der Schutzbereich des Steuergeheimnisses ist und wo seine verfassungsrechtlichen Grenzen liegen.
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Welche Bedeutung effektiver behördlicher Kontrollmechanismen hat, wenn einzelne Mitarbeiter weitreichende Befugnisse besitzen.
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Wie wichtig Auskunftsrechte der Presse sind, um mögliche Missstände aufzudecken.
Für Medien, Bürger:innen und potenziell betroffene Unternehmen stellt sich die Frage, ab wann ein „zwingendes öffentliches Interesse“ Behörden zur Auskunft verpflichtet. Ein Thema, das in der Praxis häufig umkämpft ist.
Hier geht es zum ganzen Tagesspiegelartikel: Verdacht auf Millionen-Schaden: Wie ein Beamter geholfen haben soll, das Berliner Finanzamt auszuplündern
Manchmal bleibt der Informationszugang vor allem deshalb versperrt, weil Behörden kritische Details ungern offenlegen. Wenn Sie auf solche Hindernisse stoßen, unterstützen wir Sie gerne dabei, Ihre Rechte durchzusetzen.
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