• Medienrecht

Technische Probleme einer Online-Verhandlung führen nicht zwingend zu Versäumnisurteil

Ist es einer Prozesspartei aufgrund nicht mehr aufklärbarer technischer Probleme nicht möglich, an einer Online-Verhandlung teilzunehmen, liegen damit nicht zwingend die Voraussetzungen für die Erteilung eines Versäumnisurteils vor. Die Nutzung der technischen Möglichen einer Online-Verhandlung dürfe nicht dadurch erschwert werden, dass diese für den Verfahrensbeteiligten, der sie verwendet, mit einem höheren Risiko verbunden ist als ein persönliches Erscheinen vor Gericht (Beschluss vom Oberlandesgericht Celle vom 15.09.2022, Az. 24 W 3/22). 

von Carl Christian Müller

OLG Celle zu den Voraussetzungen eines Versäumnisurteils bei technischen Problemen einer Online-Verhandlung

Technische Probleme bei der Zuschaltung zur Online-Verhandlung

Die Prozessbeteiligten stritten vor Gericht über die Wirksamkeit eines Kaufvertrags über ein gebrauchtes Wohnmobils. Zu dem Termin der mündlichen Verhandlung erschienen der Kläger und sein Prozessvertreter persönlich, während die Beklagten und deren Prozessvertreter sich in dessen Kanzlei befanden. Von dort aus sollte die Beklagtenseite sich per Videokonferenz zu der Online-Verhandlung zuschalten. Aufgrund von technischen Problemen war es jedoch dem Rechtsanwalt der Beklagtenseite nicht möglich, sich über den von dem Richter zugeschickten Link zu der Videokonferenz zuzuschalten. Auch nach einem Telefonat mit dem Richter blieb die Zuschaltung erfolglos. Daraufhin beantragte der Kläger den Erlass eines Versäumnisurteils. Die Klägerseite argumentierte, die Gegenpartei hätte die Möglichkeit gehabt, sich per Telefon zu der Verhandlung zuschalten zu lassen und dadurch beim Termin anwesend zu sein. Das Landgericht Verden erließ jedoch einen Beschluss, in dem ein neuer Verhandlungstermin von Amts wegen bestimmt werden sollte.

 

Risiko von technischen Problemen darf nicht auf Partei abgewälzt werden

Der Kläger legte gegen den Beschluss des Landgerichts sofortige Beschwerde beim Oberlandesgericht Celle ein. Dieses wies die Beschwerde jedoch als jedenfalls unbegründet ab. Voraussetzung für den Erlass eines Versäumnisurteils ist das selbstverschuldete Nichterscheinen zu einem Termin. Diese Voraussetzung lag aber nach Ansicht des Oberlandesgerichts in diesem Fall nicht vor. Ermöglicht das Gericht die Nutzung von technischen Kommunikationsmitteln, darf das Risiko von eintretenden technischen Problemen nicht auf den Verwender des Mediums abgewälzt werden. Dies gilt ebenso für nicht vorhersehbare technische Probleme. Diese können nur dann den Erlass eines Versäumnisurteils begründen, wenn sie dem Beteiligten zugerechnet werden können. Bei der Beurteilung der Frage ist zu berücksichtigen, dass der Sinn des Einsatzes der Videokonferenztechnik nach § 128 a ZPO hauptsächlich der Zeitersparnis und Prozessökonomie dienen soll. Um die Nutzung dieser technischen Möglichkeit weiter voranzutreiben darf diese nicht dadurch erschwert werden, dass die Verwendung der technischen Möglichkeiten für die Prozessbeteiligten riskanter ist als ein persönliches Erscheinen vor Gericht. Demnach ist eine Partei dann nicht verschuldet säumig, wenn eine Ton- und Bildübertragung aufgrund nicht mehr aufklärbarer technischer Probleme nicht zustanden kommen kann. 

 

Online-Verhandlung muss persönlichem Erscheinen bei Gericht hinreichend nahekommen

Dies war laut Oberlandesgericht hier der Fall. Die aufgetretenen technischen Probleme waren nicht mehr im einzelnen aufklärbar, sodass diese dem Rechtsanwalt der Beklagtenseite nicht zugerechnet werden konnten. Es gehört zwar zur Sorgfaltspflicht eines Rechtsanwalts, die technischen Hinweise des Gerichts zu beachten und dessen Testangebote wahrzunehmen. Diese Sorgfaltspflicht wird jedoch dann nicht verletzt, wenn das Gericht weder eine Testmöglichkeit anbietet noch technische Hinweise erteilt. Denn von dem Nutzer der Videokonferenztechnik dürfen keine vertieften technischen Kenntnisse verlangt werden. Das Gericht hielt der Argumentation der Klägerseite entgegen, dass eine Zuschaltung per Telefon dem Erfordernis der Anwesenheit nicht genügt. Eine Videokonferenz muss dem persönlichen Erscheinen bei Gericht hinreichend nahekommen und das Erfordernis der Unmittelbarkeit und Mündlichkeit wahren sowie allen Beteiligten rechtliches Gehör verschaffen. Dafür ist es nach Ansicht des Gerichts erforderlich, dass sämtliche Beteiligten akustisch und visuell wahrnehmbar sind, da nur dadurch verbale sowie nonverbale Äußerungen der Beteiligten wahrgenommen werden können. Gerade bei einer Beweisaufnahme käme es besonders darauf an, Details wahrnehmen zu können. 

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