• Äußerungsrecht

Tierschutzorganisation darf Kaninchenzuchtbetrieb nicht als „Tierquälerei“ bezeichnen

Der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart hat in einem einstweiligen Verfügungsverfahren die Berufung einer Tierschutzorganisation zurückgewiesen, die sich gegen die Untersagung bestimmter Äußerungen im Rahmen ihrer Berichterstattung über einen Kaninchenzuchtbetrieb richtete (Urteil vom 01.02.2023, Az. 4 U 144/22).

von Carl Christian Müller

Kaninchen im Gras

OLG Stuttgart untersagt Berichterstattung

Tierschutzorganisation berichtet über Zustände im Zuchtbetrieb

Dem liegt zugrunde, dass die Tierschutzorganisation auf ihrem Internet-Presseportal und über den sogenannten ots-Ticker über den Kaninchenzuchtbetrieb unter Nennung der Firma, des Betriebsstandorts und der dort gezüchteten Kaninchenrasse berichtete und u.a. Vorwürfe über „Tierquälerei“, “schockierende Zustände“ und „tierschutzwidrige Nottötungen“ erhob. Eine vorherige Anhörung oder Konfrontation der hiesigen Kläger – des Kaninchenzuchtbetriebs und dessen Gesellschafter – mit den Vorwürfen hat nicht stattgefunden. Daraufhin ließen die Kläger die Tierschutzorganisation und ihren Vorsitzenden, einen freien Journalisten, anwaltlich abmahnen und erwirkten nach Zurückweisung der geltend gemachten Ansprüche eine einstweilige Verfügung, mit der das Landgericht Ellwangen den Beklagten untersagte, unter Verwendung bestimmter Begriffe – unter anderem den Namen des Betriebs und der dort gezüchteten Kaninchenrasse sowie den Standort – identifizierend über die Kläger zu berichten. Auf Widerspruch der Beklagten hat das Landgericht Ellwangen die einstweilige Verfügung bestätigt und ausgeführt, die verbotenen Äußerungen griffen wegen eines Verstoßes gegen die Vorgaben der Verdachtsberichterstattung in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Kläger ein, die ohne weiteres identifizierbar seien (Urteil vom 09.09.2022, Az. 1 O 66/22).

 

Muss der Zuchthändler die Berichterstattung hinnehmen?

Dagegen richtete sich die Berufung der Beklagten mit dem Ziel, eine Zurückweisung des Verfügungsantrags zu erreichen. Sie bringen im Wesentlichen vor, dass die Grundsätze der Verdachtsberichterstattung vorliegend keine Anwendung finden könnten und die Kläger schon wegen des erheblichen öffentlichen Interesses eine wahrheitsgemäße Berichterstattung hinzunehmen hätten, zumal sie lediglich in ihrer Sozialsphäre betroffen seien.

 

Pressemitteilung muss journalistischen Standards genügen

Die Berufung der Beklagten blieb beim Oberlandesgericht Stuttgart ohne Erfolg: Zunächst handele es sich bei der beklagten Tierschutzorganisation, deren Vorsitzender freier Journalist ist und schon deshalb die besonderen Pflichten der Presse gegen sich gelten lassen müsse, um einen Verein, der satzungsgemäß professionelle Öffentlichkeitsarbeit betreibe und bereits zahlreiche Pressemitteilungen veröffentlicht habe, aber auch Presseanfragen beispielsweise an ein Landratsamt gerichtet habe. Daraus, dass der Verein für sich das Grundrecht der Pressefreiheit in Anspruch nehme, folge umgekehrt, dass er sich an den für die Presse geltenden besonderen Sorgfaltspflichten festhalten lassen müsse.

 

Tierschutzwidrige Tötung ist nicht erwiesen

Weiter seien die Grundsätze der Verdachtsberichterstattung entgegen der Auffassung der Beklagten nicht nur auf die Berichterstattung über Straf- und Ermittlungsverfahren anzuwenden, sondern auch auf Kritik an Unternehmen und die dafür Verantwortlichen sowie auf die Berichterstattung über rechtswidriges Verhalten. Im vorliegenden Fall, so der Senat, liege auch eine Verdachtsberichterstattung vor, nachdem anders als von den Beklagten behauptet nicht lediglich über unstreitig wahre Tatsachen wie die Erstattung einer Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Ellwangen berichtet werde, sondern – auch und gerade beim Hauptvorwurf der tierschutzwidrigen Tötung – kein endgültig feststehender Sachverhalt, sondern ein bloßer Verdacht geäußert werde.

 

Tierschutzorganisation hätte Unternehmen zuvor anhören müssen

Zwar gehöre es zu den legitimen Aufgaben der Medien, Verfehlungen – auch konkreter Personen – aufzuzeigen. Bestehe allerdings erst der Verdacht einer Straftat, so seien die Medien bei besonderer Schwere des Vorwurfs angesichts des damit verbundenen schwerwiegenden Eingriffs in die persönliche Ehre in besonderem Maße zu sorgfältigem Vorgehen verpflichtet. In diesem Rahmen sei nach den höchstrichterlichen Vorgaben vor einer Veröffentlichung regelmäßig eine Stellungnahme der Betroffenen einzuholen, damit diese ihren Standpunkt äußern könnten. Die Veröffentlichung der Pressemitteilung unter ausdrücklicher bzw. identifizierender Nennung der Kläger sei jedoch unstreitig ohne die vorherige Einholung einer Stellungnahme der Kläger zu den in der Pressemitteilung geschilderten Vorwürfen erfolgt, obwohl dies schon aufgrund der ebenfalls unstreitigen Erreichbarkeit der Kläger per Mail problemlos möglich gewesen wäre. Schon allein deshalb bestehe der Unterlassungsanspruch.

Die Entscheidung im einstweiligen Verfügungsverfahren ist rechtskräftig.

Quelle: Pressemitteilung des OLG Stuttgart vom 1. Februar 2023

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