Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am 09.07.2015 entschieden, dass der Betreiber einer Internetseite keine Urheberrechtsverletzung begeht, wenn er urheberrechtlich geschützte Inhalte, die auf einer anderen Internetseite mit Zustimmung des Rechtsinhabers für alle Internetnutzer zugänglich sind, im Wege des Framing in seine eigene Internetseite einbindet (Az.: I ZR 46/12).
Überraschende Entscheidung zum Framing – es kommt auf die Erlaubnis des Rechtsinhabers an
von Carl Christian Müller
Sachverhalt
In dem Urteil ging es um einen etwa zwei Minuten langen Film über Wasserverschmutzung. Den Film hatte die Klägerin, eine Herstellerin von Wasserfiltersystemen, produzieren lassen. Sie ist auch Inhaberin der ausschließlichen urheberrechtlichen Nutzungsrechte an diesem Film. Nach Angaben der Rechteinhaberin war der Film ohne ihre Zustimmung auf der Videoplattform YouTube abrufbar.
Die beiden Beklagten sind als selbständige Handelsvertreter für ein mit der Klägerin im Wettbewerb stehendes Unternehmen tätig. Sie unterhalten jeweils eigene Internetseiten, auf denen sie für die von ihnen vertriebenen Produkte werben. Im Sommer 2010 banden sie den Film der Klägerin im Wege des Framing auf ihren Seiten ein. Bei einem Klick auf einen Link wurde der Film vom Server der Videoplattform YouTube abgerufen und in einem auf den Webseiten der Beklagten erscheinenden Rahmen (Frame) abgespielt.
Die Klägerin sieht hierin eine erlaubnispflichtige Verwertungshandlung. Sie ist der Auffassung, die Beklagten hätten das Video unberechtigt öffentlich zugänglich gemacht. Sie hat die Beklagten daher auf Zahlung von Schadensersatz in Anspruch genommen. Das Landgericht hat die Beklagten antragsgemäß zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von je 1.000 EUR verurteilt. Das Oberlandesgericht wies die Klage jedoch ab. Hiergegen legt die Klägerin Revision zum BGH ein, der das Berufungsurteil nun aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen hat.
Das Urteil
Der BGH sieht in der bloßen Verknüpfung eines auf einer fremden Internetseite bereitgehaltenen urheberrechtlich geschützten Werkes mit der eigenen Internetseite im Wege des Framing kein öffentliches Zugänglichmachen im Sinne des § 19a UrhG, weil allein der Inhaber der fremden Internetseite darüber entscheidet, ob das auf seiner Internetseite bereitgehaltene Werk der Öffentlichkeit zugänglich bleibt. In einer solchen Verknüpfung liegt grundsätzlich auch kein Verwertungsrecht der öffentlichen Wiedergabe. Diese Frage hatte der BGH in dem laufenden Verfahren im Rahmen eines Vorabentscheidungsgesuches dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) vorgelegt, der hierzu ausgeführt hatte, es liege keine öffentliche Wiedergabe vor, wenn auf einer Internetseite anklickbare Links zu Werken bereitgestellt würden, die auf einer anderen Internetseite mit Erlaubnis der Urheberrechtsinhaber für alle Internetnutzer frei zugänglich seien. Das gelte auch dann, wenn das Werk bei Anklicken des bereitgestellten Links in einer Art und Weise erscheine, die den Eindruck vermittele, dass es auf der Seite erscheine, auf der sich dieser Link befinde, obwohl es in Wirklichkeit einer anderen Seite entstamme.
Den Ausführungen des EuGH ist nach Ansicht des BGH allerdings zu entnehmen, dass in solchen Fällen eine öffentliche Wiedergabe erfolgt, wenn keine Erlaubnis des Urheberrechtsinhabers vorliegt. Danach hätten die Beklagten das Urheberrecht am Film verletzt, wenn dieser ohne Zustimmung des Rechtsinhabers bei „YouTube“ eingestellt war. Dazu hatte das Berufungsgericht jedoch keine Feststellungen getroffen. Der BGH hat deshalb das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen, damit dieses die erforderlichen Feststellungen treffen kann.
Fazit
Wer die im Vorabentscheidungsverfahren ergangene Entscheidung des EuGH liest, muss gespannt sein auf die bisher nicht veröffentlichten Urteilsgründe des BGH (die vorliegenden Informationen stammen aus einer Pressemitteilung des BGH). Denn der EuGH hatte in seiner Entscheidung expressis verbis zu der Frage, ob die Veröffentlichung mit Zustimmung des Rechteinhabers erfolgt sein muss, nichts gesagt. Hierauf kann es rechtssystematisch auch nicht ankommen. Denn die Frage, ob eine Nutzungshandlung im Rechtssinne vorliegt, ist nicht davon abhängig, ob eine Erlaubnis des Rechtsinhabers vorliegt oder nicht. Die Frage der Erlaubnis stellt sich vielmehr erst dann, wenn es um die Rechtmäßigkeit der Nutzungshandlung geht.
Der BGH hatte zwar erwogen, mit dem Urteil bis zur Entscheidung des EuGH in einem ähnlich gelagerten Fall abzuwarten (Rechtssache C-160/15 - GS Media BV/Sanoma Media Netherlands BV u.a.). Hier wird der EuGH die Frage zu beantworten haben, ob von einer öffentlichen Wiedergabe auszugehen ist, wenn das Werk auf der anderen Internetseite ohne Zustimmung des Rechtsinhabers zugänglich gemacht worden ist. Allerdings ist den öffentlichen abrufbaren Informationen zu diesem Verfahren lediglich zu entnehmen, dass es in dem dortigen Verfahren um das Setzen eines Hyperlinks geht. Das kann Framing sein – muss es aber nicht. Der BGH hat von einer Aussetzung des Verfahrens mit der Erwägung abgesehen, dass mit einer Entscheidung des EuGH in frühestens einem Jahr zu rechnen ist und es auf die dem EuGH in jenem Verfahren gestellte Frage nur dann ankomme, wenn der Film ohne Zustimmung des Rechtsinhabers bei YouTube eingestellt war. Es sei daher nicht angebracht, das Verfahren ohne Klärung der Frage auszusetzen, ob der Film ohne Zustimmung des Rechtsinhabers bei „YouTube“ eingestellt war.
Die Pressemitteilung des BGH wirft damit einige Fragen auf, bei denen man gespannt sein darf, ob und wie sich diese mit der Veröffentlichung der Urteilsgründe beantworten lassen werden.