Im wegweisenden Verfahren 42 O 14139/24 hat das Landgericht München I entschieden, dass OpenAI beim Training und Betrieb von ChatGPT ausgewählte, geschützte Liedtexte ohne Lizenz verwendet hat. Die GEMA erhielt Recht, auch Schadensersatz wurde zugesprochen. Das Urteil könnte weitreichende Folgen für den Einsatz von Künstlicher Intelligenz im kreativen Bereich haben.
- KI Recht
Urteil gegen OpenAI wegen Nutzung von Songtexten durch ChatGPT: GEMA siegt vor dem Landgericht München I
von Sarah Buchner
LG München I zieht klare Grenzen für KI und Urheberrecht
Was wurde OpenAI vorgeworfen?
Die GEMA warf OpenAI vor, Songtexte aus neun bekannten deutschen Titeln ohne Erlaubnis genutzt zu haben. Darunter befanden sich Werke wie „Atemlos durch die Nacht“ von Helene Fischer, „Männer“ von Herbert Grönemeyer und „Über den Wolken“ von Reinhard Mey. Das Gericht stellte fest, dass diese Texte sowohl beim Training von ChatGPT verarbeitet als auch bei einfachen Nutzereingaben fast wortgleich ausgegeben wurden. Nach Auffassung der Kammer lag darin eine klare urheberrechtliche Nutzung ohne erforderliche Lizenz.
Was hat das Gericht entschieden?
Die Kammer (Az. 42 O 14139/24) sah in der Nutzung der Songtexte durch OpenAI eine Verletzung der urheberrechtlichen Verwertungsrechte. OpenAI muss die Speicherung der Werke künftig unterlassen, Auskunft über die verwendeten Texte erteilen und Schadensersatz leisten. Das Gericht betonte, dass generative KI-Systeme keinen besonderen rechtlichen Status besitzen. Sobald geschützte Werke in Trainingsdaten genutzt oder im Betrieb reproduziert werden, besteht eine Lizenzpflicht. Der zweite Klagepunkt zur angeblichen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts blieb ohne Erfolg.
Text und Data Mining reicht hier nicht aus
Das Gericht lehnte eine Anwendung der Schrankenregelungen aus § 44b UrhG (Text und Data Mining) ab. Diese Vorschrift erlaubt nur die rein analytische Auswertung großer Datenmengen. Für das Training eines Modells, das Inhalte speichert und später nahezu identisch reproduziert, ist sie nicht vorgesehen.
Ebenso fand § 57 UrhG zum unwesentlichen Beiwerk keine Anwendung. Beide Vorschriften bieten daher keine Grundlage für die Nutzung der Songtexte. Die Entscheidung schafft Rechtssicherheit in einer Frage, die bereits bei Klageerhebung heftig umstritten war.
Vervielfältigung und Memorierung als Kriterium
Ein zentraler Punkt des Verfahrens war die Frage, ob die Texte lediglich zur Analyse genutzt oder im Modell tatsächlich gespeichert wurden. Das Gericht wertete die nahezu unveränderte Ausgabe als Hinweis darauf, dass ChatGPT die Inhalte memorisiert hat. Damit lag eine urheberrechtlich relevante Vervielfältigung vor. Die Kammer sprach deshalb von einer klaren Rechtsverletzung.
Die Entscheidung stärkt die Position von Kreativen und Rechteinhabern. Anbieter wie OpenAI müssen künftig mit strengeren Prüfpflichten und erhöhtem Lizenzierungsaufwand rechnen.
Was kommt nach dem Urteil?
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. OpenAI prüft eine Berufung. Parallel gewinnt die Diskussion über eine europaweit einheitliche Regulierung von KI-Trainingsdaten an Bedeutung. Eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs ist nicht ausgeschlossen.
Für Urheber und Rechteinhaber zeigt das Urteil deutlich, dass das Urheberrecht auch im Zeitalter der KI weiterhin umfassend gilt. Rechtsklarheit hat Vorrang vor Geschwindigkeit bei der technischen Entwicklung. Für Unternehmen, die KI-Technologien einsetzen, bedeutet das Urteil, dass sie Trainingsdaten und Modelle intensiver prüfen müssen, um rechtliche Risiken zu vermeiden.