„Mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wollen wir erreichen, dass die mit Inkrafttreten des Gesetzes unmittelbar bestehende Speicherverpflichtung der Telekommunikationsanbieter bis zur Entscheidung über unsere Verfassungsbeschwerde ausgesetzt wird“, so Rechtsanwalt Müller weiter.
Berufsgeheimnisträger in besonderem Maße betroffen
„Den erneuten Versuch der Einführung einer Vorratsdatenspeicherung sehen wir als einen nicht hinnehmbaren Eingriff in die grundrechtlich geschützten Kommunikationsfreiheiten aller Bürger, von dem die Berufsgeheimnisträger und deren Mandanten, Patienten, Informanten und Kommunikationspartner in besonderem Maße betroffen sind.
Sowohl den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung als auch die Verfassungsbeschwerde haben daher alle Rechtsanwälte unserer Kanzlei in eigenem Namen und aus eigener Rechtsbetroffenheit als Berufsgeheimnisträger eingereicht. Dieser Initiative haben sich darüber hinaus der Deutsche Medienverband (DMV) e.V. sowie der DJV Deutsche Journalisten-Verband, Landesverband Berlin-Brandenburg e.V. angeschlossen. Darüber hinaus tritt eine Reihe von Journalisten, hier unter anderem auch die Bundestagsabgeordnete Tabea Rößner, die medienpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen ist und vormals als Journalistin beim ZDF tätig war, als Antragsteller und Beschwerdeführer auf. Daneben haben sich dem Antrag neun Mitglieder des Berliner Abgeordnetenhauses aus verschiedenen Fraktionen angeschlossen. Einige von ihnen sind ebenfalls als Rechtsanwälte tätig und insofern auch als Berufsgeheimnisträger von der Vorratsdatenspeicherung betroffen. Darüber hinaus sehen sie hierdurch ihre Rechte als Abgeordnete verletzt. Zudem hat sich noch ein Kinderarzt der Verfassungsbeschwerde angeschlossen, der sich in dieser Eigenschaft als Berufsgeheimnisträger ebenso in seinen Kommunikationsfreiheiten berührt sieht“, erklärt Rechtsanwalt Müller.
Überwachungsgesamtrechnung geht nicht mehr auf
„Wir sind der Auffassung, dass dieser mit der anlasslosen, zusammenhanglosen und ausnahmslosen Speicherverpflichtung einhergehende schwerwiegende Eingriff mit den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zu einer verhältnismäßig ausgestalteten Vorratsdatenspeicherung nicht vereinbar ist. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Überwachungsgesamtrechnung. Seit Bekanntwerden der uferlosen Speicher- und Überwachungspraktiken der Geheimdienste durch die Enthüllungen von Edward Snowden und angesichts zusätzlicher Datenspeicherungsvorhaben wie beispielsweise der Fluggastdatenverordnung ist der gesetzgeberische Handlungsspielraum in Richtung weiterer Datensammlungen auf Null reduziert. Darüber hinaus sind die gesetzlichen Regelungen zur Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung nicht mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs in Einklang zu bringen, nach der eine ausnahmslose Vorratsdatenspeicherung insbesondere im Hinblick auf den Schutz von Berufsgeheimnisträgern einen Verstoß gegen die europäischen Grundrechte darstellt“, erläutert Rechtsanwalt Rößner.
Wahrung der Kommunikationsfreiheiten
„Wir sehen die Verfassungsbeschwerde in der Tradition der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den Kommunikationsfreiheiten. Das Bundesverfassungsgericht hat stets betont, dass diese schlechthin konstituierend für eine demokratische Grundordnung sind und dass der Datenschutz hiermit korrespondiert. Vor diesem Hintergrund kann die Vorratsdatenspeicherung keinen Bestand haben“, so Müller abschließend.
Update vom 30.12.2015: Das Bundesverfassungsgericht hat uns am heutigen Tag den Eingang der Verfassungsbeschwerde bestätigt. Diese wird unter dem Aktenzeichen 1 BvR 3156/15 geführt. Über den weiteren Verlauf des Verfahrens werden wir informieren.