Voraussetzungen für den Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten

Für den Familiennachzug zu anerkannten Flüchtlingen einerseits und zu subsidiär Schutzberechtigten andererseits bestehen unterschiedliche Voraussetzungen. Dies steht, wie das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig am 08.12.2022 entschieden hat, mit höherrangigem Recht im Einklang (Az. 1 C 56.20, 1 C 59.20, 1 C 8.21, 1 C 31.21).

von Carl Christian Müller

Mann im Anzug vor dem Richtertisch

BVerwG: Unterschiede zwischen Flüchtlingen und subsidiär Schutzberechtigten

Geflohene beantragten Nachzug der minderjährigen Kinder

Die von den Klägern zwischen 2016 und 2019 gestellten Visumanträge zum Nachzug von bzw. zu ihren zu diesen Zeitpunkten noch minderjährigen Familienangehörigen wurden von den deutschen Auslandsvertretungen abgelehnt. Die Klagen hatten in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Die Kläger hätten keinen Anspruch auf Familiennachzug nach § 36a AufenthG, weil das nachziehende Kind (BVerwG 1 C 8.21, Kindernachzug) bzw. die subsidiär schutzberechtigten Kinder (BVerwG 1 C 56.20, BVerwG 1 C 59.20 und BVerwG 1 C 31.21, Elternnachzug) zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht mehr minderjährig gewesen seien. Zwischen dem 17.03.2016 und dem 31.07.2018 habe die Aussetzung des Familiennachzugs nach § 104 Abs. 13 AufenthG a.F. dem Anspruch entgegengestanden. Weder bestünden bei den klagenden Familien außergewöhnliche Härten (§ 36 Abs. 2 AufenthG) noch lägen dringende humanitäre Aufnahmegründe (§ 22 Satz 1 AufenthG) vor.

 

Familiennachzug von 2016-2018 ausgeschlossen

Der 1. Revisionssenat des Bundesverwaltungsgerichts hat die Entscheidungen der Vorinstanzen bestätigt und die Revisionen zurückgewiesen. Vom 17.03.2016 bis 31.07.2018 war der Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten ausgeschlossen (§ 104 Abs. 13 AufenthG a.F.), so dass während dieses Zeitraums für den Kläger im Verfahren BVerwG 1 C 8.21 kein Nachzugsanspruch nach § 32 AufenthG bestand. Die Nichtgewährung des Familiennachzugs steht im Einklang mit Verfassungsrecht.

 

Zwingende Voraussetzung: Kinder müssen minderjährig sein

In Bezug auf die zum 01.08.2018 in Kraft getretene Nachzugsregelung des § 36a AufenthG gelten die zu § 32 AufenthG entwickelten Grundsätze, nach denen beim Nachzug von Kindern hinsichtlich der Einhaltung einer Altersgrenze ausnahmsweise auf den Zeitpunkt der Antragstellung abzustellen ist und die übrigen tatbestandlichen Voraussetzungen sowohl im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts als auch im Zeitpunkt des Erreichens der jeweiligen Altersgrenzen erfüllt sein müssen. Ein Visumantrag konnte indes erst nach Inkrafttreten des § 36a AufenthG nach dieser Norm geprüft werden. Zu diesem Zeitpunkt war der Kläger des Verfahrens BVerwG 1 C 8.21 bereits volljährig. Zu dem beim Elternnachzug zum subsidiär schutzberechtigten Kind allein maßgeblichen Zeitpunkt der letzten gerichtlichen Entscheidung in der Tatsacheninstanz waren die in den übrigen Verfahren stammberechtigten Kinder nicht mehr minderjährig. Die vom Gerichtshof der Europäischen Union für den Familiennachzug zum anerkannten Flüchtling entwickelten Grundsätze, nach denen das Kind nur im (früheren) Zeitpunkt der Asylantragstellung bzw. der Zuerkennung des Flüchtlingsschutzes an das stammberechtigte Familienmitglied minderjährig gewesen sein muss, sind auf den Familiennachzug zum subsidiär Schutzberechtigten nicht übertragbar, weil das Unionsrecht für den Familiennachzug zum subsidiär Schutzberechtigten keine entsprechenden Regelungen trifft und eine Gleichbehandlung auch sonst nicht geboten ist. Sowohl die zeitweilige Nichtgewährung des Familiennachzugs als auch die seit 01.08.2018 in Kraft getretene Rechtsgrundlage für den Familiennachzug zum subsidiär Schutzberechtigten (§ 36a AufenthG) sind verfassungsgemäß, solange die Möglichkeit einer Einzelfallprüfung im Rahmen des § 22 Satz 1 AufenthG eröffnet bleibt. Die Voraussetzungen dieser Norm lagen nach den bindenden Feststellungen der Vorinstanzen jedoch in den hier zu entscheidenden Fällen nicht vor.

Quelle: Pressemitteilung des BVerwG vom 8. Dezember 2022

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