Das Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg hat mit Beschluss vom 17.12.2019 entschieden, dass sich die Form und der Ort der Akteneinsicht am Finanzgericht nicht nach der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) richtet, sondern vielmehr die Finanzgerichtsordnung (FGO) einschlägig ist (Az: 2 K 770/17). Demnach soll die Einsicht in Papierakten grundsätzlich nur in den Räumen eines Gerichts oder einer Behörde unter Aufsicht eines im öffentlichen Dienst stehenden Bediensteten möglich sein.
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Keine Akteneinsicht am Finanzgericht auf Grundlage der DSGVO
von Carl Christian Müller
FGO regelt Vorgang zur Aktenansicht abschließend
Anwalt beantragt Übersendung von Akten in seine Kanzlei
Der Prozessbevollmächtigte einer Klägerin hatte beim Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg beantragt, ihm Akteneinsicht durch Übersendung der vollständigen Akten im Original oder in Kopie in seine Kanzleiräume zu gewähren. Er verwies in seinem Antrag auf das „Gebaren“ des Beklagten, der erst nach Aufforderung des Senats nach der mündlichen Verhandlung die Akten im Original vorgelegt hatte. Dies mache eine umfangreiche Recherche am Arbeitsplatz erforderlich. Eine solche sei ihm in einem Gericht weder möglich noch zumutbar. Bei den hamburgischen Gerichten gebe es auch keinen Kopierer für Externe. Die Klägerin beantragte außerdem die Übersendung vollständiger Kopien der Akten gemäß Art. 15 Datenschutzgrundverordnung (DSGVO).
Gericht verneint Anspruch - Finanzgerichtsordnung regelt Akteneinsicht ausdrücklich
Wie das FG Baden-Württemberg ausführte, gebe es keinen Rechtsanspruch auf die Übersendung von Akten oder die Überlassung vollständiger Kopien. Form und Ort der Akteneinsicht werde durch § 78 Abs. 2 und 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ausdrücklich geregelt. Danach werde den Beteiligten Einsicht in die in Papierform geführten Gerichtsakten und die dem Gericht vorgelegten Akten „in Diensträumen“ gewährt. Kanzleiräume eines Rechtsanwalts seien keine Diensträume. Besondere Gründe, die ausnahmsweise eine Aktenübersendung rechtfertigen könnten, lägen im vorliegenden Fall nicht vor. Der Prozessbevollmächtigte könne nach Akteneinsicht an einem anderen Gericht oder einer Behörde dem FG Baden-Württemberg eine Liste mit Aktenseiten, die er kopiert haben wolle, vorlegen. „Soweit nicht von vornherein ersichtlich wäre, dass die Klägerin bereits im Besitz entsprechender Kopien oder Mehrfertigungen ist, würde der Senat dem entsprechenden Wunsch der Klägerin vollumfänglich entsprechen.“
Keine Verpflichtung Gerichtsakten elektronisch zur Verfügung zu stellen
§ 78 Abs. 3 S. 2 FGO verpflichte das FG Baden-Württemberg nicht, Behördenakten zu digitalisieren, erklärte das Gericht. Daher müsse das Gericht keine elektronische Fassung der in Papierform geführten Behördenakten herstellen und hierauf einen elektronischen Zugriff ermöglichen. Aus Art. 15 der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) ergebe sich auch kein Anspruch auf Übersendung von Aktenkopien. Dessen Anwendung im Finanzgerichtsverfahren normiere die FGO nicht. Dies entspreche gemäß der DSGVO dem Schutz der Unabhängigkeit der Justiz und von Gerichtsverfahren. Die FGO gehe dem Datenschutzrecht und dem Auskunftsrecht aus Art. 15 DSGVO vor.
Quelle: Pressemitteilung des FG Baden-Württemberg vom 2. Juni 2020