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Unterlassungsklage gegen die weitere Verbreitung von Szenen aus "Die Auserwählten" nicht erfolgreich

Im Spielfilm "Die Auserwählten" wird der sexuelle Missbrauch an Kindern in der Odenwaldschule in den 1980er Jahren thematisiert. Der Kläger ist als Vorbild eines Hauptcharakters erkennbar und begehrt die Verbreitung der entsprechenden Filmszenen zu unterlassen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die geltend gemachten Ansprüche aus dem Recht am eigenen Bild sowie aus unerlaubter Handlung nunmehr rechtskräftig abgewiesen (Az. VI ZR 441/19). 

von Carl Christian Müller

Kameramann

BGH bestätigt Vorinstanzen

Kläger trägt zur Aufklärung von Missbrauch bei

Der Kläger war in den 1980er Jahren Schüler der Odenwaldschule, wo er über mehrere Jahre sexuell missbraucht wurde. Seit dem Jahr 1998 machte er auf das Missbrauchsgeschehen aufmerksam und trug – u.a. durch die Mitwirkung an Presseveröffentlichungen und an einem Dokumentarfilm – maßgeblich zu dessen Aufklärung bei. Im Jahr 2011 veröffentlichte der Kläger ein autobiographisches Buch, in dem er die Geschehnisse schilderte. Im Jahr 2012 erhielt der Kläger den Geschwister-Scholl-Preis; anlässlich der Preisverleihung legte er im November 2012 sein zunächst verwendetes Pseudonym ab. Im Jahr 2014 strahlte die ARD den im Auftrag der erstbeklagten Landesrundfunkanstalt von der Beklagten zu 2 produzierten Spielfilm "Die Auserwählten" aus. Der an Originalschauplätzen gedrehte Film thematisiert den sexuellen Missbrauch an der Odenwaldschule, wobei der Kläger als Vorbild für die zentrale Filmfigur zu erkennen ist. Der Kläger, der eine Mitwirkung an dem Film im Vorfeld abgelehnt hatte, hält dies für einen unzulässigen Eingriff in sein Persönlichkeitsrecht. Er begehrt, die weitere Verbreitung der entsprechenden Filmszenen zu unterlassen.

 

Vorinstanzen weisen Klage ab

Das Landgericht Hamburg hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 03.06.2016, Az. 324 O 78/15). Die Berufung des Klägers hatte vor dem Oberlandesgericht Hamburg keinen Erfolg (Urteil vom 01.10.2019, Az. 7 U 141/16). Mit der vom VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs zugelassenen Revision verfolgte der Kläger sein Unterlassungsbegehren weiter. Der unter anderem für Ansprüche aus dem Recht am eigenen Bild und aus unerlaubter Handlung zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat die Vorentscheidungen bestätigt. Die Klage ist damit rechtskräftig abgewiesen.

 

Schauspielerische Darstellung ist kein Bildnis der porträtierten Person

Der Kläger kann sein Unterlassungsbegehren nicht auf sein Recht am eigenen Bild stützen. Der Senat hat eine insoweit in Rechtsprechung und Literatur umstrittene Rechtsfrage dahin entschieden, dass eine als solche erkennbare bloße Darstellung einer realen Person durch einen Schauspieler in einem Spielfilm kein Bildnis der dargestellten Person i.S.d. § 22 Satz 1 KUG ist. Dieser Schutz steht im Falle der als solche erkennbaren bloßen Darstellung einer Person durch einen Schauspieler dem Schauspieler zu, der in diesem Fall auch in seiner Rolle noch "eigenpersönlich" und damit als er selbst erkennbar bleibt. Als Bildnis der dargestellten Person ist die Darstellung dagegen (erst) dann anzusehen, wenn der täuschend echte Eindruck erweckt wird, es handele sich um die dargestellte Person selbst, wie dies etwa bei dem Einsatz eines Doppelgängers oder einer nachgestellten berühmten Szene oder Fotographie der Fall sein kann.

 

BGH gewährt Kunstfreiheit den Vorrang

Der Anspruch ergibt sich bei der gebotenen kunstspezifischen Betrachtungsweise auch nicht aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers (§ 1004 Abs. 1 Satz 2 analog, § 823 Abs. 1 BGB in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG). Zwar ist der Kläger durch die ausgeprägten Übereinstimmungen zwischen seinem Schicksal und der Darstellung der entsprechenden zentralen Filmfigur in seinem Persönlichkeitsrecht betroffen. Auch verstärkt die in der besonderen Intensität der visuellen Darstellung liegende suggestive Kraft eines Spielfilms diese Betroffenheit. Doch wiegt diese Betroffenheit im Ergebnis und unter maßgeblicher Berücksichtigung der von dem Kläger in der Vergangenheit praktizierten Selbstöffnung nicht so schwer, dass die zugunsten der Beklagten streitende Kunst- und Filmfreiheit zurücktreten müsste.

 

Quelle: Pressemitteilung des BGH vom 18. Mai 2021

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