• Äußerungsrecht

Bezeichnung als "menschlicher Abschaum" ist als Beleidigung strafbar

Das Bayerischen Obersten Landesgerichts (Bay OLG) hat sich in einer Revisionsentscheidung mit den Grenzen der Meinungsäußerungsfreiheit gegenüber Richtern befasst. Der Angeklagte hatte einen Richter am Amtsgericht als "menschlichen Abschaum" bezeichnet. Aufgrund dieser Aussage hat ihn das Amtsgericht Weißenburg wegen Beleidigung schuldig gesprochen (Urteil vom 21.07.2021). Gegen dieses Urteil richtete sich die Sprungrevision des Angeklagten zum Bayerischen Obersten Landesgericht (Beschluss vom 3.02.2022, Az. 204 StRR 20/22).

von Carl Christian Müller

Fluchende Wolke

Bay OLG zu den Grenzen der Meinungsfreiheit gegenüber Richtern

Verurteilung zu fünf Monate Freiheitsstrafe wegen Beleidigung

Der Angeklagte hatte einen Richter am Amtsgericht als „menschlichen Abschaum“ bezeichnet. Das Amtsgericht Weißenburg hatte ihn wegen Beleidung in zwei Fällen schuldig gesprochen und zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt, deren Vollstreckung nicht zur Bewährung ausgesetzt wurde. Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte Sprungrevision zum Bayerischen Obersten Landesgericht eingelegt. Im Rahmen der Sprungrevision überspringt wird eine Instanz, die Berufungsinstanz, übersprungen. Das Bay OLG hat den Schuldspruch, also die Verurteilung wegen Beleidigung, bestätigt.

Das Bay OLG geht davon aus, dass die Bezeichnung des Amtsrichters als „menschlichen Abschaum“ eine sogenannte Formalbeleidigung darstellt. In diesem Fall trete die Meinungsfreiheit ohne weitere Gewichtung und Einzelfallabwägung hinter den Ehrenschutz zurück. Der Angeklagte habe mit Vorbedacht und nicht nur in der Hitze einer Auseinandersetzung ein nach allgemeiner Auffassung besonders krasses, aus sich heraus herabwürdigendes Schimpfwort verwendet, das eine kontextunabhängig gesellschaftlich absolut missbilligte und tabuisierte Begrifflichkeit darstelle. Die verwendete Beschimpfung lasse das absolute Mindestmaß menschlichen Respekts vermissen und sei deshalb grundsätzlich nicht mit der Meinungsfreiheit vereinbar.

 

Kritik der Justiz muss ohne staatliche Sanktion möglich sein

Lediglich ergänzend führt das Bay OLG aus, dass auch bei einer Abwägung widerstreitender Interessen das Recht der Meinungsfreiheit hinter dem Ehrschutz des beschimpften Amtsträgers im konkreten Fall zurücktreten würde. Grundsätzlich gehöre es zum Kernbereich des Rechts auf freie Meinungsäußerung, gerichtliche Entscheidungen ohne Furcht vor staatlichen Sanktionen zu kritisieren. Aus diesem Grund komme der Meinungsäußerungsfreiheit in diesen Fällen besonders hohes Gewicht zu. Auch scharfe und übersteigerte Äußerungen würden noch dem Schutzbereich der Meinungsfreiheit unterfallen.

Anders sei der Fall jedoch dann, wenn die Äußerung als äußerst grob herabwürdigend einzuordnen sei. Der abschätzige Begriff „menschlicher Abschaum“ treffe ausschließlich die Person des Richters und nicht dessen Tätigkeiten oder Verhaltensweisen. Der Angeklagte habe genügend alternative Äußerungsmöglichkeiten gehabt, um seine Einwendungen auch mit deutlichen Worten vorzubringen.

Quelle: Pressemitteilung des Bay OLG vom 22. März 2022

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