• Datenschutzrecht

„Nulltarif-Optionen“ verstoßen gegen die Verordnung über den Zugang zum offenen Internet

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte nach Anrufung zweier deutscher Gerichte darüber zu entscheiden, ob sog. „Nulltarif-Optionen“ in Verträgen von deutschen Telekommunikationsanbietern, wie Vodafone oder Telekom, das Gebot der "Neutralität des Internets" verletzen. Wie der EuGH mit Urteil vom 02.09.2021 entschied, verstößt diese Vertragspraxis gegen die EU-Verordnung über den Zugang zum offenen Internet (Az. C-854/19, C-5/20 und C-34/20).

von Carl Christian Müller

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EuGH zur Netzneutralität

„Nulltarif-Option“ - ein attraktives Angebot?

Bei einer sogenannten „Nulltarif-Option“ handelt es sich um eine Geschäftspraxis, die darin besteht, dass ein Anbieter von Internetzugangsdiensten auf den mit einer bestimmten Anwendung oder einer bestimmten Kategorie von Anwendungen, die von Partnern dieses Zugangsanbieters angeboten werden, verbundenen Datenverkehr ganz oder teilweise einen „Nulltarif“ oder einen vergünstigten Tarif anwendet. Diese Daten werden daher nicht auf die im Rahmen des Basistarifs erworbene Datenmenge angerechnet. Eine solche, im Rahmen beschränkter Tarife angebotene Option ermöglicht es den Internetzugangsanbietern, die Attraktivität ihres Angebots zu erhöhen.

 

Vorabentscheidungsverfahren vor dem EuGH

Zwei deutsche Gerichte möchten vom EuGH wissen, ob es mit dem Unionsrecht vereinbar ist, dass ein Anbieter von Internetzugangsdiensten die Bandbreite limitiert bzw. Tethering oder Roaming einschränkt, wenn der Kunde eine solche „Nulltarif-Option“ wählt. Diese Gerichte sind mit Rechtsstreitigkeiten über derartige Beschränkungen zwischen Vodafone bzw. Telekom Deutschland auf der einen sowie der Bundesnetzagentur (Deutschland) bzw. dem Bundesverband der Verbraucherzentralen, einer deutschen Verbraucherschutzorganisation, auf der anderen Seite befasst.

 

Vodafone und Telekom mit „Nulltarif-Optionen“

Bei Vodafone gelten die „Vodafone Pass“ genannten „Nulltarif-Optionen“ („Video Pass“, „Music Pass“, „Chat Pass“ und „Social Pass“) nur im Inland, d. h. in Deutschland. Im Ausland wird das für die Nutzung der Dienste von Partnerunternehmen verbrauchte Datenvolumen auf das Inklusivdatenvolumen des Basistarifs angerechnet. Darüber hinaus rechnet Vodafone den Datenverbrauch bei einer Nutzung über Hotspot („Tethering“) auf das im Tarif enthaltene Datenvolumen an. Telekom Deutschland bietet ihren Endkunden für einige Tarife eine Zubuchfunktion (auch als „Addon option“ bezeichnet) in Form einer „Nulltarif-Option“ namens „Stream On“6 an. Bei Aktivierung dieser Option wird das auf Audio- und Videostreaming von Contentpartnern der Telekom entfallende Datenvolumen nicht auf das Inklusivdatenvolumen des Basistarifs angerechnet, nach dessen Verbrauch die Übertragungsgeschwindigkeit generell reduziert wird. Bei Aktivierung dieser Option willigt der Endkunde allerdings in eine Bandbreitenlimitierung auf maximal 1,7 Mbit/s für Videostreaming ein, unabhängig davon, ob es sich um Videostreaming von Contentpartnern oder sonstigen Anbietern handelt.

 

EuGH: Keine Diskriminierung oder Ungleichbehandlung im Internetverkehr

Mit seinen Urteilen vom 02.09.2021 weist der Gerichtshof darauf hin, dass bei einer „Nulltarif-Option“ wie den in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden auf der Grundlage kommerzieller Erwägungen eine Unterscheidung innerhalb des Internetverkehrs vorgenommen wird, indem der Datenverkehr zu bestimmten Partneranwendungen nicht auf den Basistarif angerechnet wird. Eine solche Geschäftspraxis verstößt gegen die allgemeine, in der Verordnung über den Zugang zum offenen Internet aufgestellte Pflicht, den Verkehr ohne Diskriminierung oder Störung gleich zu behandeln. Da die Limitierung der Bandbreite sowie die Einschränkungen von Tethering oder Roaming nur zur Anwendung kommen, wenn die gegen die Verordnung über den Zugang zum offenen Internet verstoßende „Nulltarif-Option“ aktiviert wird, sind auch sie mit dem Unionsrecht unvereinbar.

Der EuGH hatte bereits im September 2020 zu sog. „Nulltarifen" entschieden und mit dieser Grundsatzentscheidung das Gebot des neutralen Internetverkehrs betont.

 

Quelle: Pressemitteilung des EuGH vom 2. September 2021

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