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Pressemitteilung der Pflegekammer Niedersachsen ist unzulässig

Das Niedersächsische Oberverwaltungsgerichts (OVG) in Lüneburg hat mit Beschluss vom 22.10.2020 entschieden, dass die Pressemitteilung „Pflege darf nicht auf stumm geschaltet werden“ der Pflegekammer Niedersachsen vom 07.09.2020 vorläufig von deren Homepage entfernt werden muss (Az. 8 ME 99/20). Nach gerichtlicher Auffassung genügt die Pressemitteilung nicht den rechtlichen Anforderungen. So müsse sie unter anderem sachlich und objektiv sein, erklärte das OVG Lüneburg.

von Carl Christian Müller

OVG Niedersachsen verpflichtet Kammer zur Entfernung der Mitteilung

Kammer-Mitglieder sprechen sich mehrheitlich für Abschaffung selbiger aus

Die Pflegekammer Niedersachsen ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, deren Aufgabe unter anderem die Wahrnehmung der beruflichen Belange von Pflegefachpersonen ist. In der Vergangenheit gab es teils erhebliche Widerstände gegen die Gründung einer Pflegekammer, gegen deren Tätigkeit und die gesetzliche Pflichtmitgliedschaft. Die Rechtmäßigkeit der Pflichtmitgliedschaft war Gegenstand mehrerer gerichtlicher Verfahren (vgl. Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Urteile vom 22. August 2019 – Az. 8 LC 116/18, 8 LC 117/18). Eine Online-Befragung unter den ca. 78.000 Mitgliedern der Pflegekammer, an der ca. 15.100 Mitglieder teilnahmen, ergab, dass sich über 70 Prozent der Antwortenden für die Abschaffung der Pflegekammer aussprachen. Daraufhin erklärte die Ministerin für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung des Landes Niedersachsen, Carola Reiman (SPD), ihre Absicht, die Auflösung der Pflegekammer Niedersachsen einzuleiten. Die Pflegekammer veröffentlichte am 07.09.2020 auf ihrer Internetseite eine Pressemitteilung unter dem Titel „Pflege darf nicht auf stumm geschaltet werden“, mit der sie sich für ihren Erhalt aussprach. Aus dem Ergebnis der durchgeführten Umfrage könne kein Auftrag abgeleitet werden, die Pflegekammer in Frage zu stellen, da nur ca. 19 Prozent an dieser teilgenommen hätten.

 

VG Hannover: Pflegekammer muss Mitteilung entfernen

Die Antragstellerin, die selbst Mitglied der Pflegekammer ist, stellte daraufhin einen Eilantrag beim Verwaltungsgericht Hannover, die Pressemitteilung mit sofortiger Wirkung von der Homepage zu entfernen. Dem Antrag gab das Verwaltungsgericht Hannover mit Beschluss vom 24.09.2020 (Az.: 7 B 4667/20) mit der Begründung statt, der Inhalt der Pressemitteilung werde dem Sachlichkeitsgebot an zwei Stellen nicht gerecht und lasse insgesamt eine ausreichende Darstellung der Gegenposition vermissen.

Das niedersächsische Oberverwaltungsgerichts hat die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Hannover bestätigt und die Beschwerde zurückgewiesen.

 

Kammerversammlung muss Gesamtinteresse bestimmen

Nach Einschätzung des OVG Lüneburg gelten für Äußerungen der Pflegekammer als Berufskammer mit Pflichtmitgliedschaft bestimmte rechtliche Anforderungen. Unter anderem müssten sie sachlich und objektiv sein. Inhalt der Äußerungen dürfe kein Teil- und auch kein Mehrheitsinteresse sein. Die Pflichtmitgliedschaft bringe es mit sich, dass ein Gesamtinteresse der Kammermitglieder vermittelt werden müsse, das durch Abwägung und Ausgleich auch widerstreitender Interessen ermittelt werde. Im Falle höchst umstrittener Fragen dürfe die Pflegekammer ihre Mehrheitsauffassung nicht apodiktisch mitteilen, sondern müsse zugleich die Minderheitsauffassung(en) offenlegen und die zur Mehrheitsauffassung führende Abwägung der verschiedenen Positionen erkennbar machen. In bedeutenden und unter den Kammermitgliedern unterschiedlich beurteilten Angelegenheiten obliege die Bildung dieses Gesamtinteresses der gewählten Kammerversammlung. Habe die Kammerversammlung in einer bedeutenden und unterschiedlich beurteilten Angelegenheit noch nicht zumindest eine grundsätzliche Festlegung des Gesamtinteresses getroffen, so könne der Vorstand - der im Allgemeinen für die Pressearbeit zuständig sei - in dieser Angelegenheit in der Öffentlichkeit noch nicht Position beziehen. Die damit verbundene Einschränkung der öffentlichen Interessenvertretung bei einzelnen Themen sei unvermeidlich, weil die Pflegekammer als Berufskammer mit Pflichtmitgliedschaft in grundsätzlich anderer Weise tätig werde als ein privater Interessenverband.

 

Pressemitteilung verstößt gegen Sachlichkeitsgebot

Die Pressemitteilung „Pflege darf nicht auf stumm geschaltet werden“ vom 07.09.2020 habe für den Erhalt der Pflegekammer Stellung bezogen, ohne die Gegenposition ausreichend darzustellen und die zur Bildung des Gesamtinteresses führende Abwägung erkennbar zu machen, führte das OVG Lüneburg aus. Das sei bei diesem Thema erforderlich, weil ein erheblicher Teil der Mitglieder gegen die weitere Tätigkeit der Pflegekammer sei. Das Thema sei außerdem so bedeutend, dass nach dem Bekanntwerden des Ergebnisses der Online-Befragung eine grundsätzliche Positionierung durch die Kammerversammlung erforderlich gewesen sei, an der es am 07.09.2020 gefehlt habe. Zudem entsprächen zwei Formulierungen nicht dem Sachlichkeitsgebot.

Der Beschluss ist unanfechtbar.

 

Quelle: Pressemitteilung des OVG Lüneburg vom 27. Oktober 2020

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