Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hat mit Urteil vom 09.09.2021 entschieden, dass ein juristischer Fachverlag einen digitalen Rechtsdokumentengenerator "Smartlaw" betreiben darf, mit dem anhand eines Frage-Antwort-Systems und einer Sammlung abgespeicherter Textbausteine Vertragsdokumente erzeugt werden (Az. I ZR 113/20).
- Wettbewerbsrecht
Vertragsgenerator Smartlaw ist rechtlich zulässig
von Carl Christian Müller
BGH entscheidet über Legal-Tech-Angebot
Abmahnung wegen wettbewerbswidriger Rechtsdienstleistung
Die Klägerin ist eine Rechtsanwaltskammer. Die Beklagte ist ein juristischer Fachverlag. Sie stellt im Internet einen digitalen Generator zur Erstellung von Verträgen und anderen Rechtsdokumenten bereit, die Kunden im Rahmen eines Abonnements oder im Wege des Einzelkaufs erwerben können. Hierzu werden dem Kunden verschiedene Fragen gestellt, die er - überwiegend im Multiple-Choice-Verfahren - beantworten muss. Anhand der Antworten werden mithilfe einer Software aus einer Sammlung von Textbausteinen Vertragsklauseln generiert, die zu einem Vertragsentwurf zusammengestellt werden. Die Klägerin sieht in der digitalen Erstellung eines individuellen Vertragsdokuments eine wettbewerbswidrige Rechtsdienstleistung und nimmt die Beklagte mittels einer Abmahnung im Wettbewerbsrecht auf Unterlassung in Anspruch. Das Landgericht Köln hat der Klage stattgegeben (Urteil vom 8.10.2019, Az. 31 O 35/19). Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht Köln den Unterlassungsantrag abgewiesen (Urteil vom 19.06.2020, Az. 6 U 263/19).
Vertragsgenerator rechtmäßig - keine rechtliche Einzelfallprüfung
Der Bundesgerichtshof hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Die Erstellung eines Vertragsentwurfs mithilfe des digitalen Rechtsdokumentengenerators ist keine nach § 3a UWG unlautere Handlung, weil sie keine unerlaubte Rechtsdienstleistung im Sinne von § 2 Abs. 1, § 3 des Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG) darstellt. Die Tätigkeit der Beklagten besteht darin, mithilfe der programmierten und im Internet bereitgestellten Software Vertragsdokumente anhand der Vorgaben der Nutzer zu erstellen. Dabei wird sie nicht in einer konkreten Angelegenheit des Nutzers tätig. Sie hat die Software auf der Grundlage von denkbaren typischen Sachverhaltskonstellationen programmiert, zu denen sie im Vorgriff auf die vorgegebenen Antworten standardisierte Vertragsklauseln entwickelt hat. Die über den üblichen Fall hinausgehenden individuellen Verhältnisse des Anwenders finden - ähnlich wie bei einem Formularhandbuch - bei der Erstellung des Vertragsdokuments keine Berücksichtigung. Der Nutzer erwartet daher auch keine rechtliche Prüfung seines konkreten Falls.
Quelle: Pressemitteilung des BGH vom 9. September 2021